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Polonus Politicus

Mirosław Gryń / Polityka
Welche sind in der Politik die wichtigsten Werte, wie verändern sich die Wahlpräferenzen der Polen, und welche neue Partei würde ihnen gefallen? Danach fragten wir in einer zusammen mit dem Meinungsforschungsinstitut TNS OBOP durchgeführten Umfrage. Die Ergebnisse sind interessant, ermöglichen sie doch, sich in den politischen Gedankengängen der Polen vor dem Wahlmarathon der Jahre 2010-2011 zurechtzufinden.

Politikern der PiS („Recht und Gerechtigkeit“) dürften die Antworten auf die Frage, worum sich der Staat kümmern sollte, gefallen. Aufs Treppchen gelangten: „die Sicherheit der Bürger“, „der Kampf gegen Korruption“ und „die Verringerung der sozialen Ungleichheit“, Werte also, die direkt aus dem Programmheft der Partei von Jarosław Kaczyński  abgeschrieben sein könnten (schließlich ist der letzte Punkt nichts anderes als das berühmt-berüchtigte „solidarische Polen“). Das bestätigt noch einmal, dass Kaczyński ein gutes Gespür für die Prioritäten der Massen hat, was im Widerspruch steht zu der geringen Unterstützung für seine Gruppierung. Das kann bedeuten, dass ein gutes Gespür für Stimmungen nicht alles ist, dass damit nicht eine gelungene Realisierung dieser Ziele Hand in Hand gehen muss, zumal wenn sie durch einen fatalen Regierungsstil behindert wird.

Erst auf den vierten Platz der Prioritäten für den Staat setzten die Befragten unserer Erhebung die „Rechte und Freiheiten der Bürger“, also einen schon typischen Wert für eine liberale Demokratie. Ebenso viele, 25 Prozent der Untersuchten, gaben die „Durchführung notwendiger Reformen ungeachtet des Widerstands verschiedener Interessengruppen“ an. Man darf wohl die These riskieren, dass sich in unserer Umfrage der Teil der Gesellschaft offenbart hat, der die Systemreformen in Polen seit Jahren unterstützt.

Seit Jahren heißt es, er umfasse ungefähr ein Viertel oder ein Fünftel der Gesellschaft. Und das seien die „Unbeugsamen“ – wie man sieht, sind sie nicht so zahlreich, wie man aufgrund des Grades der Unterstützung für die Bürgerplattform (PO) meinen könnte, woraus folgt, dass diese Partei die Sympathien einer sehr uneinheitlichen Wählerschaft auf sich vereinigt; das wiederum führt dazu, dass Tusk weltanschaulich lavieren muss, um die Unterstützung zu behalten.

Nichtaggressiver Patriotismus

Obwohl die Befragten Werte, die jedem PiS-Wähler am Herzen liegen, an die Spitze der staatlichen Imponderabilien setzten, landeten zwei weitere Prioritäten dieser Partei weit unten. Die „patriotische Erziehung“ und die „Gestaltung der kollektiven Moral“ (erinnern wir uns an die „moralische Stärkung“ aus der Zeit der Vierten Republik) wurden gerade einmal von mehr als 10 Prozent genannt. Wie man sieht, hat sich die Domäne der härtesten Kampfideologie - denn nach solchen Positionen haben die PiS-Politiker den (im Kern antideutschen und antirussischen) Patriotismus und die Moral (hauptsächlich im Kontext der Lustration) ausgerichtet - als politisch am wenigsten ertragreich erwiesen.

Das amtliche Aufzwingen von Normen und Geboten, wie man fühlen und denken soll, stört die Polen überhaupt, und schon gar nicht akzeptabel ist für eine erhebliche Mehrheit ganz eindeutig eine Monopolisierung des Patriotismus und ein Pachten der Moral durch nur eine politische Formation. Das führt dazu, dass doch recht wesentliche Faktoren der kollektiven Identität im Ranking der vom Staat zu fördernden Ziele weit unten landen.

Als Schlusslicht findet sich der „Schutz der Rechte von Minderheiten“, ein überaus wichtiges und sensibles Kriterium prodemokratischer (zumal linksgerichteter) Einstellungen. Nur neun Prozent der Befragten gab diesen Wert als wesentliche Aufgabe des Staates an. Doch das sieht man auch in anderen Untersuchungen, in denen sich die polnische Gesellschaft bei bestimmten Themen als offen und liberal gibt, aber in Fragen moralischer Freiheiten und zum Beispiel der Rechte von Homosexuellen zu mangelnder Toleranz und Restriktivität tendiert.

Darin äußert sich eine quasi uneigennützige, von der persönlichen Erfahrung zumeist losgelöste Abneigung gegen Andersartigkeit und gegen eine alternative Lebensform. Gerade diese Uneigennützigkeit ist besonders beunruhigend, stellt doch die Formalisierung von jemandes partnerschaftlicher Beziehung keinerlei Bedrohung für andere dar; wie unsere Untersuchungen zeigen, nimmt die kollektive Moral in der Wertehierarchie auch keinen Spitzenplatz ein (somit handelt es sich vermutlich um ein starkes, unreflektiertes, wahrscheinlich sogar von religiösen Motivationen unabhängiges Stereotyp). Wer weiß, ob diese Frage uns derzeit nicht am deutlichsten von den alten europäischen Demokratien unterscheidet.

Eine nähere Beschäftigung mit den Daten im Detail zeigt, dass die Ansichten einzelner Alters-, Interessen- oder regionaler Gruppen vom Durchschnitt (positiv oder negativ) abweichen. Zum Beispiel sprechen sich für den Schutz der Rechte von Minderheiten am häufigsten (so großartig allerdings auch nicht, nämlich 13 Prozent) die jüngsten (bis zum 24. Lebensjahr) und die in der östlichen Region lebenden Befragten aus, am wenigsten dagegen die zwischen 55 und 64 Jahre alten, Menschen aus der Region Kleinpolen (nur vier Prozent!) sowie private Unternehmer (ebenfalls vier Prozent). Diese Phänomene zu analysieren und ihre Gründe herauszufinden, würde wohl ein ganzes Buch füllen.

Liberale Reflexe

Die Qualität der polnischen Demokratie, der Grad ihrer Fortgeschrittenheit und der Internalisierung ihrer fundamentalsten Regeln war Gegenstand unserer zweiten Erhebung. Daraus geht hervor, dass eine erhebliche Mehrheit der Polen damit übereinstimmt, dass Privateigentum besser ist als Staatseigentum, dass die Mehrheit den Minderheiten nicht Gesetze aufzwingen darf und dass die Demokratie unter allen Umständen besser ist als andere Systeme. In jedem dieser Fälle machten die Gegner dieser Thesen 22-26 Prozent aus. Der Gedanke, dass es sich dabei um die Wählerbasis der PiS handelt, ist verlockend, da diese Prozentzahlen genau zur Spanne der Unterstützung für die Partei von Jarosław Kaczyński passen. Doch sicher kann man hier nicht sein. Mit Sicherheit gibt es dafür in Polen einen ebenso großen Teil der Gesellschaft, der die Demokratie nicht als einen unzweifelhaften Wert ansieht und dieses System als ein Instrument betrachtet, mit dem die Mehrheit die Bedingungen diktiert. Der Staat wiederum ist ein Garant dieser Dominanz und sollte weitreichende Befugnisse besitzen, um sie – auch im ökonomischen Bereich – aufrechtzuerhalten.

Diese Gruppe wird zwar aller Wahrscheinlichkeit nach heute von der PiS bedient, doch eine derartige Mentalität hat es seit langem gegeben, und sie wird sogar dann noch existieren, wenn die PiS von der politischen Bühne abtritt. Wenn wir von jenen 25 Prozent gesprochen haben, die den harten liberal-demokratischen Kern bilden, dann gibt es am Gegenpol einen harten traditionell-etatistischen Kern. Zu Verschiebungen wird es hier eher nicht kommen. „Zu haben“ sind die übrigen 50 Prozent, wenn auch in der Praxis wahrscheinlich weniger, wenn man die wiederholte niedrige Beteiligung bei polnischen Wahlen berücksichtigt.

Versucht man, die Politiker eigentlich aller Parteien zu begreifen, deren grundlegendes Merkmal Inkonsequenz sowie weltanschauliche und strategische Wankelmütigkeit sind, dann könnte die Unentschlossenheit eines großen Teils der Wähler hierfür eine Erklärung sein. Anführer, die ihr eigenes stehendes Heer haben, suchen nach freien Elektronen, die sie, wenn schon nicht auf Dauer, dann wenigstens für den Augenblick anziehen wollen. Daher sprechen sie mit mehreren Zungen gleichzeitig, und dieses Phänomen wir sich im Wahljahr 2010 noch verstärken.

Eine klare Spaltung, ohne große Überlegenheit einer der Seiten, ergab sich bei zwei unseres Erachtens Schlüsselfragen. Die erste lautete: „Ist Freiheit wichtiger als Ordnung?“, und die zweite: „Sind die Rechte des Einzelnen wichtiger als die Gebote der Mehrheit?“ In beiden Fällen gewann die Option der Freiheit des Einzelnen bei den Befragten die Oberhand über die Ordnungsnormen der Gemeinschaft, aber die Überlegenheit war relativ gering. Allein das zeugt schon davon, dass die These, die Polen seien hauptsächlich konservativ und rückwärtsgewandt, keine klare Bestätigung findet.

Ein bisschen trotzig kann man sagen, dass die Polen überwiegend liberale Reflexe haben, aber die traditionelle Erziehung und das ideologische Umfeld, die auf sie einwirken, in einer passiven Billigung konservativer, vertrauter Stereotypen resultiert. Interessante Schlussfolgerungen ergeben sich aus den detaillierten Angaben zur Person der Befragten: Für das Primat der Freiheit sprachen sich am häufigsten Personen aus, die ihre Ansichten als rechte Mitte klassifizieren, deutlich häufiger als diejenigen, die sich als linksgerichtet oder als linke Mitte bezeichnen.

Mehr noch, zwischen der rechten Mitte und der Rechten trat ein qualitativer Unterschied auf, denn Personen, die ihre Meinungen als rechtsgerichtet definieren, stellten bei der Befragung als Einzige die Ordnung über die Freiheit. Ähnlich war es im Fall des Dilemmas, ob der Einzelne vor der Mehrheit kommt oder umgekehrt – auch hier setzte die rechte Mitte auf das Individuum, die Rechte dagegen auf die Gemeinschaft.

Nimmt man der Einfachheit halber an, dass die Rechte mit der PiS und die rechte Mitte mehr oder weniger mit dem Umfeld der Bürgerplattform gleichzusetzen ist, dann steht in diesen Schlüsselfragen die rechte Mitte der weltanschaulich linken Formation erheblich näher als der Rechten im strengen Sinne. Vielleicht ist das eine subtilere Erklärung für den erbitterten Krieg zwischen der PO und der PiS, da wo es nicht nur um die Ambitionen der Spitzenpolitiker geht, sondern um eine andere Sicht auf völlig grundlegende Dinge.

Das Assoziationsfeld des polnischen Bewusstseins lässt sich auch nicht nach einfachen politologischen Schemata wie Rechte, Linke, Liberalismus, Konservatismus, Sozialismus usw. ordnen. Zu den Geboten und Interessen der Gemeinschaft können die Polen traditionell nicht nur solidarische und soziale Werte zählen, sondern auch – und vielleicht sogar vor allem – patriotische und das Eintreten für die Unabhängigkeit. Sie sind so heilig und historisch, so obligatorisch, dass die Rechte des Einzelnen, verstanden als das Recht, sich dieser Verpflichtung zu entziehen, in ihrem Licht verblassen. Kein Wunder also, dass die Freiheitsliebe und der Respekt für die Gebote der Gemeinschaft in der kollektiven polnischen Seele im Grunde gleich stark nebeneinander vertreten sind.

Dieses Spannungsverhältnis, ein Produkt der polnischen historischen Erfahrung, kann sich in ein natürliches und geradezu erwünschtes modernes Dilemma verwandeln, wenn das gesellschaftliche Vertrauen darein wächst, dass der polnische Staat nicht gefährdet ist und dass ein Bürger nicht nur Pole, sondern auch ein Individuum ist. Es hat jedenfalls den Anschein, dass unsere Umfrage diesen Reifungsprozess des Bewusstseins in einem für ihn sehr wichtigen Moment eingefangen hat.

Neue drei Tenöre?

Dieses weltanschauliche Durcheinander ist bis zu einem gewissem Grade an dem folgenden Beispiel zu beobachten: der Offenheit der Polen für neue politische Initiativen. Wir haben deshalb bei unserer Erhebung auf der Suche nach Antworten, wie man die vorhandenen politischen Komponenten anders mischen könnte, nach neuen, hypothetischen Parteien gefragt. Interessanterweise erhielten zwei noch nicht existierende Gruppieren die meiste Zustimmung (jeweils 12 Prozent): zum einen eine aus Teilen der PiS und der PO gebildete (nach einer angenommenen Spaltung dieser Parteien), die unmittelbar an die alte Idee der [2005 nicht zustande gekommenen, Anm. d. Ü.] Kombination PO-PiS anknüpft, und zum anderen eine – ad hoc in unserer Redaktion erfundene – von Włodzimierz CimoszewiczAndrzej Olechowski  und Wojciech Olejniczak  gebildete Partei der linken Mitte. Für eine theoretische Formation, für deren Zustandekommen heute keine größeren Chancen bestehen, sind die Ergebnisse erstaunlich gut, denn eigentlich ziehen Wähler immer in Betracht, wie realistisch politische Projekte sind.



Man kann das unterschiedlich interpretieren, aber auch in der Weise, dass ein Bedarf an einer gemäßigteren, sozusagen durch die Bürgerplattform gebrochenen Version der PiS besteht, aber auch eine etwas andere Bürgerplattform gewünscht wird, die stärker auf Liberalität und eine linke kulturelle Sensibilität ausgerichtet ist. Das mag eine Bestätigung dafür sein, dass die Gesellschaft unterschwellig liberaler und ideologisch gelassener ist, als es auf der ideologischen Hauptbühne aussieht. Somit hat es den Anschein, dass hier verschiedene Verschiebungen möglich sind, auch wenn sie von den bekannten Faktoren, also dem Mangel an Geld und lokalen Strukturen, gebremst werden. Allerdings sollte man nicht vergessen, dass der größte organisatorische Erfolg, nämlich die Initiative der drei Tenöre von der Bürgerplattform, seinen Ursprung vor allem in einer hervorragenden Idee hatte, die zu einem idealen Zeitpunkt aufgebracht wurde. Jeder für sich allein hatten Tusk, Olechowski und Płażyński  kein besonders großes politisches Gewicht, aber zusammen bildeten sie eine neue Qualität.

Dieses Beispiel ist eine Bestätigung für die Komponententheorie und für die weiterhin bestehende Möglichkeit, neue politische Konstrukte zu basteln. Gar kein schlechtes Ergebnis verzeichnete die Partei von Ludwik Dorn  und Marek Jurek. Dorn verfügt zwar bereits über eine Keimzelle für eine neue Formation, doch die Phantasie der Massen hat er damit noch nicht erreicht. Vielleicht muss er es noch einmal probieren. Mit drei Prozent könnte nach unserer Umfrage eine neue, von Jarosław Gowin  und Jan Rokita zu gründende Gruppierung rechnen, also die „dissidierende“ Rechte der Bürgerplattform. Hier gibt es also keinen großen Bedarf. Ebenso wenig für zwei weitere hypothetische Parteien: eine neue Linke von Slawomir Sierakowski und eine Partei von Pater Rydzyk – sie hatten die gleichen zwei  Prozent Unterstützung gemein.

Die Befragten bekannten sich zu den zusammengebastelten Angeboten, offensichtlich haben sie selbst Spaß daran, mit diesen Kombinationen zu spielen. Im Grunde suchen sie gern nach neuen Konstruktionen aus den im Wesentlichen alten Klötzen. Sehr genau achtgeben muss man jedoch auf zwei weitere Zahlen: 25 Prozent der Befragten wollten noch wieder andere Parteien als die von uns offerierten, und ganze 46 Prozent wählten die Antwort: schwer zu sagen. Das sind erdrückende Größen (zusammen 71 Prozent); sie zeigen einen Zustand der Unentschlossenheit und Orientierungslosigkeit, der tiefen Enttäuschung, aber auch der Erwartung und Hoffnung.

Objektiv ist also die Konjunktur günstig für das Auftauchen nicht nur irgendeiner neuen Formation, sondern vielleicht noch mehr für das Auftauchen irgendeines neuen Ensembles von Inhalten und Ideen, einer neuen Sprache. Es sieht so aus, als sagten die Wähler: Vorläufig müssen wir nehmen, was da ist, doch was wir lieber möchten, werden wir sehen, wenn es entsteht, und erst dann beantworten wir die Frage, ob es uns gefällt. Unsere Umfrage gibt diesen Politikern gewisse Hinweise.

Die Komponenten in einer politischen Mixtur, die entweder verträglich oder ungenießbar ist, betreffen auch mögliche Koalitionen. Hier sind die Ergebnisse unserer Umfrage ziemlich überraschend: Die gegenwärtige Koalition von PO und Polnischer Bauernpartei (PSL) kam erst auf den dritten Platz im Ranking der am meisten akzeptierten Bündnisse. Die größte Unterstützung erhielt eine Koalition aus PO und SLD vor einer Liaison von PO und PiS. Noch einmal zeigt sich, dass es wohl ein Fehler der Bürgerplattform war, sich gleich bei Regierungsantritt von der SLD zu distanzieren. Dass die Abneigung der PO-Führer gegen das Wahlbündnis stärker war als die, die die Wählerbasis dieser Gruppierungen voneinander trennte. Nicht ausgeschlossen ist auch, dass dies eine weitere Bestätigung für die These ist, dass der seit dem Beginn des Jahrtausends zu beobachtende Prozess einer anfangs vielleicht nur leichten Linkskorrektur des konservativen Kurses an Reife gewinnt.

Doch auch in diesem Fall muss zur Gegenkontrolle die große Zahl der Unentschiedenen herangezogen werden, für die das „schwer zu sagen“ ist oder die eine „andere Koalition“ bevorzugen würden, wenn auch nicht leicht zu erraten ist, welche.

Hinter dieser Unentschlossenheit verbirgt sich wahrscheinlich das Misstrauen der Bürger überhaupt gegen politische Bündnisse in der heutigen polnischen Politik, zumal nach den Koalitionsexperimenten von Jarosław Kaczyński in den Jahren 2005-2007, wie auch den aktuellen, als er sich in der Frage der öffentlichen Medien mit der SLD verständigte. Und die Bürger haben zu Recht den starken Verdacht, dass sich hinter den im polnischen Parlament geschlossenen Bündnissen immer ein doppelter großer Betrug verbirgt. Zum einen an den Wählern, denen vorher nichts davon gesagt wurde; mehr noch, der Wahlkampf wurde gegen die geführt, mit denen man sich später einigte. Und zum anderen an den unerwarteten und plötzlich gesuchten Bündnispartnern, mit denen das Spiel in Wirklichkeit nicht darum geht, Ideen und Wählerschaften zu bündeln, sondern darum, sie am Anfang auszunutzen und zum Schluss auszutricksen.

Nicht besonders treue Wähler

Und schließlich fragten wir nach der politischen Beständigkeit der Polen und ihrer Treue zu früheren politischen Wahlentscheidungen im Kontext der kommenden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen. Wenn man berücksichtigt, dass Lech Kaczyński 2005 die Präsidentschaftswahlen gewann, sieht man das Ausmaß der Pulverisierung seiner einstigen Wählerbasis.

Nur neun Prozent der Befragten geben an, Kaczyński gewählt zu haben und weiterhin für ihn stimmen zu wollen, gegenüber 18 Prozent Getreuen im Falle von Donald Tusk. Aber auch Tusk erhielt eine Warnung: 6 Prozent der Befragten gaben an, Tusk gewählt zu haben, jetzt aber lieber für Włodzimierz Cimoszewicz stimmen zu wollen. Kaczyńskis Ersatzmann ist schwächer: Nur drei Prozent seiner ehemaligen Wähler würden in den nächsten Wahlen für Zbigniew Ziobro stimmen, ebenso viele wie für Tusk und… Cimoszewicz. Es gibt auch einen gewissen Wählerabfluss von Tusk zu Andrzej Olechowski: drei  Prozent. Diese Ergebnisse zeigen Tendenzen und Trends, die Pfade, auf denen die Wählerschaft nach einem Ausweg in eine ihr heute mehr entsprechende Richtung sucht, denn auch in diesem Fall heißt der Prozentsatz der Unentschiedenen (31), mit weitreichenden Interpretationen Vorsicht walten zu lassen. 

Die Beständigkeit der Wählerbasis der jeweiligen Parteien hat im Falle der Parlamentswahlen eine ähnliche Struktur wie die gegenwärtige Unterstützung für PO und PiS: Die Bürgerplattform ist hier der Gruppierung von Jarosław Kaczyński um hundert Prozent überlegen. Und hier sieht man noch eines - die Größe der sogenannten eisernen Wählerschaft dieser beiden Gruppierungen: 22 Prozent bei der PO und 11 Prozent bei der PiS. Das sind die Unerschütterlichen, die diesen Gruppierungen höchstwahrscheinlich noch lange nicht den Rücken kehren werden. Der Rest kann abwandern, und um diesen Rest muss man kämpfen. Die Zuströme sind unbedeutend. Einige wenige Prozent der PO-Wähler übertrug ihre Sympathie auf die SLD, noch weniger auf die PiS. Dagegen erklärten 2 Prozent der PiS-Wähler, für die PO stimmen zu wollen. So wie im Falle der Präsidentschaftswahlen sind auch bei den Parlamentswahlen 31 Prozent der Wähler unentschieden.

Wie man sieht, ist eine im Grunde so große weiche Wählerbasis keine Berufsarmee, sondern ein Landsturm. Fast ein Drittel der Wähler hat den Zuschauerstatus gewählt, entschied sich abzuwarten. Unsere Umfrage zeigt die politische Gesellschaft im Vorwahlkampfschlaf, in Lethargie. Es gibt jedoch starke Anhaltspunkte für die Ansicht, dass die Polen allmählich den zu eng gewordenen konservativen Anzug ablegen, in den sie sich nach der Rywin-Affäre  gezwängt haben, und nach einer offeneren, freiheitlicheren, individualistischeren und liberaleren Formel suchen.

Aber zu viele Anstrengungen und Hoffnungen wollen sie in diesen Wandel auch nicht investieren. Wenn das jemand organisierte, ein frisches Gericht auftischte und sich von der volkstümelnden Version der Rechten unterschiede, dann könnte es Wirkung zeitigen.Napieralskis  Linke hat dazu keine Chancen, weil sie ebenfalls volkstümelt, und andere eventuelle Formationen fürchten einen Fehlstart so sehr, dass sie den geeigneten Augenblick für den Start verpassen könnten. Bei den Wählern ist eine deutliche politische Mitte erkennbar, ohne ideologische Ambitionen, aber mit Intuitionen, die derzeit weder die Bürgerplattform erfüllt, noch die SLD, die sich auf einen Holzweg begeben hat, und erst recht nicht die in Lethargie versunkene PiS.

Die Schützengräben der wichtigsten Parteien verlaufen noch immer entlang der alten Linien, auch wenn die Disziplin lockererer geworden ist und sowohl Plünderei als auch echte oder trotzige Unentschiedenheit zum Vorschein gekommen sind. Die Wähler streichen in der Umgebung herum, und ein Teil von ihnen hat sich frei genommen, um die ideologische Gesundheit ein bisschen aufzupeppen. Wenn das Signal ertönt, wird die Mehrheit wohl wieder die Kampfstellungen einnehmen, wenn auch nicht mehr mit derselben Moral wie 2005 oder 2007. Mit einem Wort, Stillstand, Langeweile. Die Sache ist nur die, dass solche Stimmungen oft einem politischen Umbruch, einer Erschütterung und einem Umsturz der alten Ordnung vorangehen.

Der Artikel erschien in der Polityka Nr. 51/2009 vom 16.12.2009. Übersetzung: Silke Lent | Redaktion: Paul-Richard Gromnitza

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