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Ich habe im Ghetto gelöscht

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Nein, ich habe nicht gekämpft. Aber ich war da, und habe es gesehen. Ich war Feuerwehrmann der polnischen Warschauer Feuerwache und habe jeden zweiten Tag 24 Stunden lang Brände im Ghetto gelöscht. Wie soll man erklären, dass die Feuerwehrleute das löschten, was die Deutschen angezündet hatten?

Die Hauptaufgabe der Feuerwehr bestand in der Brandeingrenzung. Die einen Gebäude sollten niederbrennen, aber andere, benachbarte, sollten es nicht. Bei denen, die niederbrennen sollten, nahmen die Deutschen an, dass sich dort Menschen verstecken - Kinder, Frauen, Kämpfer. In denen, die nicht brennen sollten, befanden sich irgendwelche Magazine (mit Lebensmitteln, Uniformen, Stiefeln) oder Werkstätten und Maschinen.

Die Feuerwehr war also polnisch. Da die Feuerwehrleute einen Nachtausweis besaßen, konnten sie sich nachts in Feuerwehruniformen frei bewegen und - wenn sie mutig waren (viele waren es) - Waffen und andere verbotene Materialien transportieren, auf dessen Besitz die Todesstrafe stand. Kommandant der Feuerwehr war Oberstleutnant der Feuerwehr Adam Kalinowski, der vor dem Krieg Kommandant der besten Feuerwehr in Europa, der in Łódź, gewesen war. Diese schwierige und verantwortungsvolle Funktion hatte er mit Erlaubnis der konspirativen Organe der Heimatarmee (AK) übernommen. 

Eingestellt wurde ich bei der Feuerwehr als Küchengehilfe. Meinem Vater (der den Kommandanten Kalinowski noch aus Łódź kannte) ging es darum, dass der Feuerwehrausweis vor den diversen Razzien beschützte. Doch für einen Feuerwehrmann war ich zu jung. Zum Glück war ein Bekannter meines Vaters Pastor der evangelisch-reformierten Kirche; also stellte er mir eine Geburtsurkunde aus, in der er mich drei Jahre älter machte. Nach zwei Monaten ausgeklügelter Tricks befreite ich mich von der (nach meiner Ansicht und der meiner Kameraden) schändlichen Funktion eines Küchenjungen und begann als zweiter Schlauchmann zu Brandeinsätzen auszufahren. Wenn ich den Feuerwehrhelm aufsetzte, hänselte man mich als „Säugling im Nachttopf", doch das minderte nicht meinen Stolz, ein richtiger Feuerwehrmann zu sein. 

Und dann brach der Aufstand  im Ghetto  aus. Die Ghettomauer verlief entlang der Nowolipki-Straße, ein paar Meter entfernt von der Kaserne der Ersten Abteilung der Feuerwehr. Als ich morgens mit der Straßenbahn aus Żoliborz  entlang der Ghettomauer in der Bonifraterska-Straße zur Arbeit fuhr, sah ich Rauchfahnen, und der Wind wehte Brandgeruch und Asche herüber. In der Kaserne angekommen, stieg ich mit Kameraden auf das Dach des Depots, um den merkwürdigen Brand der einige Wohnblöcke entfernten Mietshäuser besser beobachten zu können. Wir konnten zunächst nicht verstehen, weshalb man uns nicht zum Löschen ruft. Gegen Mittag hörten wir Serien von Maschinengewehrschüssen. Gleich danach schrillte auch die Alarmglocke, was bedeutete, dass wir zum Löscheinsatz gerufen wurden. Und so ging es los! 

Ein vierstöckiges Haus brennt, eine Menge Rauch quillt aus den Fenstern; wir rollen also die Schlauchleitung aus, um zu löschen; wir bespritzen die Hauswand mit Wasser, der Strahl erreicht die Fenster. Doch da schreit ein szkop  [abwertende Bezeichnung für deutsche Besatzungssoldaten, Anm. d. Red.] in Offiziersuniform unseren Sergeanten auf Deutsch an und zieht die Pistole. Der Deutsche befiehlt, das zweistöckige Nachbarhaus zu schützen, das große soll dagegen abbrennen. Und er brüllt: „Verstanden!?" Wir bespritzen das kleine Haus und dringen ins Innere ein. Und da ein Wunder: ungefähr 40 Nähmaschinen und Ballen mit Stoff für militärische Uniformen. Der erste Gedanke war: diese Maschinen hinauszutragen und wegzuschaffen (während der Besatzung waren Nähmaschinen Gold wert). 

Andrzej Judycki und ich betreten einen anderen Raum, und dort ragt hinter einer Tür etwas hervor und bewegt sich. Wir greifen nach den Beilen, für alle Fälle. Wir öffnen die Tür vorsichtig, und hinter ihr kauern Menschen. Obwohl wir gar nichts sagen, heben sie die Hände in die Höhe. Und wir stellen die blöde Frage: „Was machen Sie hier?" Sie entgegnen: „Nichts, wir sitzen hier bloß." Und einen Moment später, als sie sehen, dass wir Feuerwehrmänner sind: „Wir verstecken uns vor den Deutschen." Woraufhin Andrzej sie idiotisch tröstet: „Keine Angst, hier kommen die szkopy nicht hinein, weil wir hier löschen; aber auf der Straße sind ein paar Behelmte mit Knarren." Darauf sie: „Meine Herren, haben Sie etwas zu essen? Seit drei Tagen sitzen wir hier, wir haben Angst hinauszugehen und haben nichts gegessen". Ich hatte nur einen Apfel und Andrzej ein Käsebrot, aber nicht dabei, sondern im Wagen. Ich sagte, ich ginge etwas holen. Unterwegs traf ich Waldek den Dicken. Ich sage zu ihm, er solle seine Verpflegung für zwei Juden herausrücken, die sich seit ein paar Tagen verstecken und nichts gegessen haben (er hatte immer viel dabei, weil er ständig hungrig war). Er ging zum Wagen und brachte zwei Schinkenbrote, obwohl es ihn betrübte. Doch er sagte: „Bring sie ihnen, aber wenn die szkopy davon erfahren, erledigen sie euch; und diese Juden knallen sie sicher ohnehin ab; siehst du nicht, was hier passiert? Ich gehe da nicht rein, ich will nicht einmal wissen, dass sie dort sind; und sagt niemandem, dass ich euch meine Butterbrote gegeben habe. Und passt auf, denn im zweiten Wagen ist Sergeant S. mitgekommen, und bei ihm kann man nicht wissen, woran man ist." Sergeant S. war ein Volksdeutscher. Ich ging zurück und gab ihnen die Butterbrote und zwei Äpfel. Sie setzten sich auf den Fußboden, ihre Hände zitterten, als sie aßen. Nie zuvor hatte ich so verängstige und hungrige Menschen gesehen. 

Andrzej begann, ihnen zu erklären: „Hören Sie, dieses Haus soll nicht abgebrannt werden, weil hier Magazine sind; aber die szkopy kommen bestimmt, um diese Uniformen und Nähmaschinen abzuholen; wenn man Sie hier fände, wäre das übel. Doch wenn Sie an der Rückseite der Häuser entlanggehen - da sind die szkopy vorläufig nicht - kommen Sie dahin, wo wahrscheinlich Aufständische sind. Vielleicht ist das besser für Sie. Sie verstehen, dass wir Ihnen nicht anders helfen können. Wenn die Deutschen uns hier mit Ihnen entdeckten, würden sie sowohl Sie, als auch uns abknallen." Darauf entgegnen sie: „Das wissen wir, und wir danken Ihnen sehr." Ich sage also zu ihnen: „Machen Sie es gut, meine Herren, und passen Sie bei jedem Schritt auf! Vielleicht gelingt es Ihnen. Vielleicht wird diese szkopy am Ende der Schlag treffen." Sie bedankten sich, wir gaben uns fest die Hand, und sie gingen los. Was aus ihnen geworden ist, weiß ich nicht. 

An einem anderen Tag brannte ein vierstöckiges Wohnhaus. Wir standen in Bereitschaft und gaben acht, dass das Feuer nicht auf das Nachbargebäude überspringt, das nicht abbrennen sollte. Die Treppenrampen waren eingestürzt oder mit unpassierbaren Trümmern verschüttet, die Treppenhäuser in dicken Rauch gehüllt. Es war unmöglich, in das Haus hineinzugelangen oder aus ihm herauszukommen. Plötzlich hören wir aus einem Fenster im letzten Stock einen erstickten Schrei: „Hilfe, wir verbrennen!" Die Rauchschwaden machen es unmöglich zu sehen, wer dort ist. Die Stimmen sind weiblich und ihre Verzweiflung erschreckend. Tadek, unser Brandmeister, ruft dem Fahrer zu: „Schalte den Pumpenmotor auf Vollgas!" Kurz darauf erreicht der Wasserstrahl den vierten Stock und vertreibt den Rauch ein wenig. An Löschen war nicht zu denken, auch wenn wir es entgegen den Deutschen gewollt hätten. Dann und wann tauchen in den Fenstern die Köpfe junger Mädchen auf. Wir starren entsetzt, die ganze Gruppe von acht Feuerwehrleuten, nur Tadek bespritzt die Fenster. 

Einen Augenblick später befiehlt der Sergeant nachzusehen, ob szkopy oder szaulisy [eine abwertende Bezeichnung für die Angehörigen der litauischen, lettischen und ukrainischen Wachmannschaften, Anm. d. Red.] in der Nähe sind. Wir vergewissern uns, dass keine da sind; also sagt er: „Wer möchte, kann zum anderen Wagen gehen; er steht drei Querstraßen weiter von uns bei der Leszna-Straße; aber wenn einer keine Angst hat, werden wir sie herunterholen." Drei gingen davon. Jurek (der älteste) sagte: „Ich werde nicht mein Leben für ein paar Jüdinnen aufs Spiel setzen, die die Deutschen sowieso umbringen werden; wenn nicht hier, dann anderswo. Das hat keinen Sinn. Und wenn ihr sie nach unten gebracht habt, kommen die szaulisy, vergewaltigen die Hübschesten und knallen danach alle ab! Das alles ist eine idiotische Lebensgefährdung." Und er zog ab. Allerdings zögernd, als schämte er sich ein bisschen. Ich dagegen dachte, dass er ja im Prinzip recht hat. Der Sergeant sah mich einen Augenblick an, aber den Blick auf die mit Wasser bespritzten Fenster gerichtet, sagte er: „Ein Feuerwehrmann darf nicht zulassen, dass Menschen verbrennen." Er befahl Janek und mir: „Wenn ihr bleibt, dann holt zwei Hakenleitern." 

Denn wir hatten keine Leiter, die bis zum vierten Stock reichte. Eine Hakenleiter ist eine kleine Leiter mit der Länge eines Stockwerks und einem riesigen Haken, mit der man in jeden Stock hinaufsteigen kann - wenn man den Mut dazu hat -, indem man den Haken in der Fensteröffnung am Fensterbrett einhängt. (...) Nach wenigen Minuten erscheint er mit einem an ihn angegurteten Mädchen, und sie kommen herunter. Beide sind durchnässt, denn der Rauch musste mit Strömen von Wasser beseitigt werden. Das Mädchen ist in einem schrecklichen Zustand: schmutzig, durchnässt, in zerrissener Kleidung, schlotternd; sprechen kann sie nicht, sie bewegt die Lippen, kann aber kein Wort herausbringen. Wir verstecken sie am Tor. Nach ein paar Minuten wiederholt sie mit kaum hörbarer und brüchiger Stimme immer wieder: „Sie bringen uns um, sie bringen uns alle um." Sie ist sehr jung, vielleicht 17 Jahre alt. Zum Herunterlassen waren wir zu viert; also kam auch die Reihe an mich, obwohl ich mich erst einmal im Leben in einer Übung abgeseilt hatte, und da natürlich allein. 

Janek, ein starker Bursche und erfahrener Feuerwehrmann, sicherte mich, indem er mit der zweiten Hakenleiter hinter mir hinaufkletterte. Ich steige in das von Hitze, Schmutz, Rauch und Brandgeruch erfüllte Innere... und zu einigen verängstigten Mädchen. Die älteste von ihnen sagt, wir sollten die unter dem Fenster auf dem Fußboden Kauernde mitnehmen, weil sie eine gebrochene Hand habe. Ich sehe, dass ihre Hand blutig und mit irgendeinem Fetzen verbunden ist. Janek nimmt die Verletzte. (...) Ich mache mich daran, eine von ihnen, die Kleinste und wohl Jüngste anzugurten. Janek hilft mir. Er rät mir, das Seil viermal um den Karabiner zu winden (normalerweise reicht dreimal) und die Handschuhe gut zu verschließen, um sich am Seil nicht die Hände zu verbrennen. Irgendwie ging es nach unten. 

Das Mädchen klammerte sich vor Schrecken so fest an meinen Hals, dass ich kaum atmen konnte. Das war meine größte Leistung als Feuerwehrmann. Die, die als letzte heruntergelassen wurde, war beherrscht und tapfer; sie wusste, dass sie der Tod erwartet. Aber in ihren Worten und ihrem Verhalten war ein Funken Hoffnung zu spüren. Wir geben ihnen Tee aus Thermoskannen und irgendwelche Butterbrote, jeder, was er hatte. Seit drei Tagen hatten sie nichts gegessen. Sie warteten auf einen furchtbaren Tod durch Ersticken und Hitzeeinwirkung. Trotz des Hungers konnten sie nicht essen; ihre Hände und Kinnladen zitterten. Die abgebissenen Happen fielen ihnen aus dem Mund. Janek bandagiert der Verwundeten die Hand. Sie ist völlig abgestumpft; sie jammert nicht einmal, obwohl sie Schmerzen haben muss, sie verzieht nur das Gesicht und stöhnt ein wenig. Die allgemeine Stimmung ist bei uns allen ziemlich gedrückt. 

Und da kommt Jasio zum Tor herein, unser Fahrer, genannt Szoferak, der ewige Optimist, eine heitere Seele um die Vierzig, und ruft: „Seid gegrüßt, Mädels, habt keine Angst, szkopy lassen wir hier nicht rein. Und wo habt ihr euch nur so schmutzig gemacht? Wascht euch!" Und er lacht sie an. Und das nahm ihnen plötzlich diese lähmende Angst und die ganze Grabesstimmung. Eine lächelte sogar, als er gerade sie ansah bei der Frage, wo sie sich schmutzig gemacht hätten. 

Sie begannen, normal zu essen. Die wohl Jüngste, von mir abgeseilte, saß in der Hocke auf Ziegeln und schluchzte still. Er geht zu ihr. (...) Und einen Moment später sagt sie mit beinahe normaler Stimme (sie hebt den Kopf ein wenig, um ihn anzusehen): „Man wird uns töten; Sie werden uns nicht retten, niemand wird uns retten, aber ich will leben!" Und sie fängt an zu weinen. Sie schmiegt sich an ihn. Er fragt sie (ich sehe, dass er Tränen in den Augen hat): „Wie alt bist du, wie heißt du, was ist mit deinen Eltern?" Sie antwortet ihm relativ ruhig: „Vierzehn, Zuza, Papa ist irgendwohin gegangen, vielleicht kämpfen; Mama haben sie umgebracht, als sie wegen Papa kamen. Meinen Bruder (er war 12 Jahre alt) hat ein szaulis umgebracht; er hat ihn erkannt, weil mein Bruder oft unter der Mauer hindurch das Ghetto verließ." (Der Durchgang unter der Mauer auf die andere Seite des Ghettos war bei unserer Kaserne in der Nowolipki-Straße. Wir halfen den Jungen oft hindurchzukommen und wieder zurückzukehren). 

Jasio, der Sergeant und Tadek sprachen kurz miteinander, gingen zum Wagen und brachten einen Plan der Kanalisation mit. Den beiden Ältesten und Ruhigsten erklärten sie, wie man in die Kanäle hineingeht und wie man herauskommt. Nach dem Ausstieg in Żoliborz sollen sie jeweils höchstens zu zweit (sie waren insgesamt sieben) nach Marymont  und nach Młociny gehen und dann... wohl zu den Partisanen. „Ihr habt eine fünfzigprozentige Chance zu überleben. Hier kommt ihr bestimmt um. Wir können euch nicht anders helfen; hinausfahren können wir euch nicht, weil die Wagen kontrolliert werden; und wenn sie euch fänden, gäben sie uns allen eins auf die Mütze. In Marymont merkt euch die Adressen der Kirchen; vielleicht helfen sie. Andere Adressen geben wir euch nicht, denn falls man euch schnappt, könntet ihr sie ausplaudern; und dann würden sie diese Leute ausheben und erschießen. Die Kirchen können Kontakte zum [Widerstand im] Wald haben. Nehmt eine Laterne und geht tapfer, dann wird es schon gelingen!" 

Was aus ihnen geworden ist, weiß ich nicht. Von Janek hörte ich, dass sie in die Kanäle gingen. Es ist ihnen wohl gelungen, die Kirche zu erreichen, denn ich habe nicht gehört, dass in Bielanyirgendwelche Jüdinnen geschnappt wurden. Über die kleine Zuza wurde gar nicht gesprochen. Tadek hatte sie nicht in den Kanal einsteigen sehen. Ich weiß, dass Szoferak und Tadek zu zweit losfuhren und nach einer Stunde zurückkamen. Angeblich (das hörte ich von Judycki) setzten sie Zuza in den Kasten für die nassen Schläuche und fuhren sie in die Kaserne. Zuerst überprüften sie, wer am Ausfahrtstor aus dem Ghetto stand. Denn es gab Verschiedene. Die einen kontrollierten genau und schauten sogar unter den Wagen nach, aber es gab auch zwei, die nur einen flüchtigen Blick auf den Wagen warfen und ihn durchließen. In einer solchen Lage war es nicht möglich, dass die gesamte Mannschaft von acht Feuerwehrmännern ihr Leben riskierte. Also hat Szoferak sie wahrscheinlich selbst transportiert. Was er später mit ihr gemacht hat? Das ist nicht bekannt. Über solche Dinge sprach man damals nicht. Mein Bruder, der in unserer Feuerwehrabteilung in den Werkstätten arbeitete, vermutet (denn er bemerkte, dass ein Motorrad benutzt wurde), dass er Zuza nachts nach der Sperrstunde in den Seitenwagen des roten Feuerwehrmotorrads gesetzt und mit Blaulicht nach Mińsk Mazowiecki  befördert hat, wo er mit seiner Frau und einer Tochter in Zuzas Alter wohnte. 

Ein anderer Tag. Nach mindestens 10 Stunden Lösch- und Sicherungsarbeit und sehr hungrig entdeckten wir ein Lager mit Keksen und Marmelade. Also begann ein Festessen. Drei Feuerwehrmänner sonderten sich ab, packten die Gasmaskentaschen mit Essenspaketen voll und fuhren los in Richtung Stawki-Straße. Man ahnte, obwohl es niemand sagte, dass sie das den Aufständischen brachten. Zu uns Tafelnden dagegen stieß Major Drożdżeński, der Kommandeur unserer Abteilung. Der Major war Rechtschaffenheit und Anstand in Person; er war streng und fordernd, aber auch gerecht. Er kam herein und schaute auf das, was wir essen. Er war den ganzen Tag mit uns zusammen gewesen, war also auch hungrig, wie jeder von uns. Unser ganzes Essen hatte irgendjemand - wie, weiß ich nicht - an Juden weitergegeben. Der Korporal bietet ihm Kekse an. Darauf meint er: „Nein, danke, gebt mir ein wenig Wasser." Anderes Essen rührte er nicht an. Die Haltung des Majors wird mir für immer in Erinnerung bleiben. 

In einem anderen Gebäude und an einem anderen Tag entdeckten wir ein Weinlager - Hunderte von Flaschen. Wir begannen zu trinken, aber nur ein wenig, denn der Major war in der Nähe. Rund ein Dutzend Flaschen wurden unter den Schläuchen in den Wagen geschmuggelt. Es wäre schade gewesen, den szkopy und szaulisy große Mengen an Wein zu hinterlassen. Andrzej Judycki und ich kamen, irgendwie gleichzeitig, auf eine geniale Idee. An die Regale und viele Flaschen hefteten wir Zettel mit der Aufschrift giftig. Wir folgerten richtig, dass die Deutschen oder szaulisy, wenn sie den Wein finden, Angst haben werden, ihn zu trinken. Und dass die Deutschen ihn sogar vernichten werden. Am nächsten Tag erzählte uns irgendein Blauer Polizist, wie die Deutschen mit einem Maschinengewehr alle Flaschen zertrümmerten und ein breiter Strom von Wein in den Rinnstein floss. Die große Sabotage war gelungen! (...) 

Eines Tages sah ich einen so ungeheuerlichen Vorfall, dass ich beinahe in Ohnmacht gefallen wäre. Ein dreistöckiges Wohnhaus brannte und war voller Rauch. Wir fuhren vor, aber die Deutschen stoppten uns mit Gebrüll: „Halt, stehen bleiben!" Sie selbst standen mit ein paar szaulisy um die Ecke. Aus dem zweiten Stock warf jemand Kissen und Matratzen hinunter. Aus dem Fenster, aus dem Rauch hervorquillt, fällt - wahrscheinlich hinausgeworfen - einen Augenblick später ein kleiner, vielleicht sechsjähriger Junge. Er steht auf und versucht, sich von dem in Flammen stehenden Haus zu entfernen. Er hinkt, offenbar hat er sich bei dem Fall den Fuß verstaucht. Einer der Soldaten (es war wohl ein szaulis) läuft mit einem auf ihn gerichteten Karabiner auf den Jungen zu. Der Kleine bleibt stehen und hebt die Hände in die Höhe. Es ist schwer, das zu vergessen: der kleine, zu Tode erschrockene hinkende Junge mit erhobenen Händen und der Söldling mit dem auf ihn gerichteten Karabiner. Dieser Söldling geht nah an den Jungen heran und berührt ihn mit dem Lauf. Aus dem Fenster ertönt der Schrei einer Frau: „Nein, nein, nicht, nicht!" Der Söldling schaut zu der Frau hinauf und erschießt, während er sie ansieht, den Jungen. Mich packte irgendein Entsetzen, Verzweiflung oder auch Wut, der Hals schnürte sich zu, der Mund zuckte, die Knie waren weich. Der Sergeant sah es und befahl mir, zum Wagen zu gehen. Gleich darauf fuhren wir auch ab. Am Morgen kehrte ich nach Hause zurück und erzählte es meinem Vater. Er erlaubte mir nicht, zur Wache zu gehen, und besorgte mir eine Krankschreibung für zwei Tage. 

Ich saß zu Hause, und das Bild des Gesehenen kehrte immer wieder zurück. Der kleine Junge mit den erhobenen Händen... und dieser ungeheuerliche Schuss und der Schrei seiner Mutter... Die Wut auf die Mörder schwoll an. Ich beschloss, zwei Pistolen mitzunehmen und sie ins Ghetto zu schmuggeln, wenngleich ich keinen klaren Plan hatte, wem ich sie übergeben sollte (!?). Ich baute darauf, vielleicht einem Aufständischen zu begegnen, obwohl das wenig wahrscheinlich war. Von den drei Pistolen wählte ich die Parabellum und die Mauser. Ich nahm auch drei Magazine mit Patronen mit, steckte sie in die Gasmaske und schmuggelte sie am nächsten Tag ins Ghetto. Doch mein Bruder bemerkte das Fehlen der Pistolen. Er ahnte, dass ich es war, der sie genommen hatte. Er fuhr zur Wache und überredete einen Kumpel, der auch in der AK war, mit dem Dienstmotorrad ins Ghetto zu fahren. Sie fuhren los, aber die szkopy, die das Tor bewachten, ließen sie nicht durch, weil sie keinen Fahrbefehl hatten, also kehrten sie wieder um. Mein Bruder ging zum Diensthabenden, der Meldungen entgegennahm, Einsatzbefehle ausstellte und die Alarmglocke für die Ausfahrt des entsprechenden Löschzuges läutete. Aber der weigerte sich. Da schaltete mein Bruder selbst die Alarmglocke ein und übergab dem Fahrer die Adresse des Feuers. Dann sprang er auf den Wagen und fuhr mit der gesamten nichtsahnenden Mannschaft ins Ghetto. Er fand mich ohne Mühe, schimpfte mich einen Dummkopf, kassierte die Knarren ein - er selbst hatte noch eine Visa -, setzte den Feuerwehrhelm auf und zog davon. Wohin, wusste ich nicht und weiß es bis heute nicht (mein Bruder kam im Warschauer Aufstand ums Leben). Eine Stunde später kehrte er zurück, und der Trupp, mit dem er gekommen war, fuhr ab in die Kaserne, weiterhin ohne zu wissen, weswegen sie eigentlich gekommen waren. 

Am nächsten Tag sah ich, wie die Deutschen aus einem der Wohnhäuser - wahrscheinlich aus den Kellern, den sogenannten Bunkern - eine Gruppe von ungefähr 40 Menschen heraustrieben; es waren überwiegend Frauen, Kinder und ein paar alte Männer. Sie stellten sie an die Wand des Hauses. Wir sahen es aus einer Entfernung von rund 150 Metern. Sie holten ein Maschinengewehr heran und brachten innerhalb weniger Sekunden alle um. Kurz darauf begannen ein paar szaulisy, die Leichen zu fleddern. 

Als wir anderntags in aller Frühe bei einem Wohnhaus standen, das langsam zu Ende abbrannte, bemerkten wir in einem Tor zwei Aufständische. Sie waren bewaffnet. Sie sahen uns nicht, weil wir um die Ecke standen. Sie gingen langsam an den Häuserwänden entlang. Plötzlich bemerkten sie uns; sie blieben stehen, zogen sich zurück, sprachen miteinander. Wir hatten Angst, dass sie schießen könnten, ohne zu wissen, wer wir sind. Einer von uns rief: „Habt keine Angst, wir sind Polen." Sie kamen heran und gingen mit zwei Feuerwehrmännern zum Tor hinein. Wir gaben ihnen, was wir zu essen hatten. Worüber sie sich unterhielten, weiß ich nicht. Nach einer Weile gingen sie wieder. 

Etwa 20 Minuten später waren Schüsse aus Pistolen und Maschinengewehren sowie Explosionen von Granaten zu hören. Als es wieder still geworden war, bemerkten wir nach einiger Zeit einen der beiden. Zwei Feuerwehrmänner machten sich in seine Richtung auf, sie trugen Feuerwehrgeräte und taten so, als gingen sie löschen (irgendetwas schwelte dort immer). Zusammen gingen sie in einem Tor in Deckung. Er sagte ihnen, dass der andere sein Bruder gewesen und dass er in diesem Gefecht umgekommen sei. (...) Er sagte auch, er wisse, dass „die AK mehrfach versucht hat, ins Ghetto einzudringen, aber das ist fehlgeschlagen, und eure Jungs sind umgekommen. Es war sinnlos, denn es hätte nicht geholfen. Ehre ihrem Angedenken. Bei diesem ganzen Aufstand geht es nicht darum, zu siegen, denn das ist unmöglich, sondern darum, sich nicht kampflos abschlachten zu lassen." Und zum Schluss fügte er im Weggehen mit Genugtuung lächelnd hinzu: „Zwei szkopy habe ich wohl gerade erledigt." 

PS: Die zitierten Gespräche können ein wenig - aber nur ein wenig - anders verlaufen sein; der grundlegende Inhalt war so, wie ich ihn wiedergegeben habe. Eine Zeitlang führte ich damals eine Art Tagebuch, und das habe ich jetzt genutzt. Der erwähnte Andrzej Judycki kam vor dem Warschauer Aufstand ums Leben, er wurde auf der Straße von der Gestapo verhaftet. Mein Bruder Aleksander (Deckname Feliks) und mein Vater fielen im Warschauer Aufstand. Die Namen Tadek, Jasio, Waldek und Janek sind verändert, aber Zuza hieß wirklich so. Die szaulisy wurden offiziell als fremdvölkische (litauische, lettische, ukrainische) Hilfseinheiten bezeichnet. Sie galten als Kriminelle und außergewöhnlich grausame Banditen, die schlimmer als die Deutschen waren. 

Prof. Dr. Janusz Ostrowski, Absolvent der Fakultät für Physik der Universität Warschau, war in den Jahren 1954-1969 Leiter der Abteilung für Photoelektrische Phänomene in Halbleitern am Institut für Physik der Polnischen Akademie der Wissenschaften. In den Jahren 1970-1993 war er als Professor in den USA tätig. Er beschäftige sich mit Festkörperphysik und medizinischer Elektronik. 1993 kehrte er nach Polen zurück. Er ist Professor der World Open University. 

Der Artikel erschien in der Polityka Nr. 20/2009 vom 06.05.2009. Übersetzung Silke Lent

 

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