Adam Krzemiński: 20 Jahre nach dem Untergang des Kommunismus versucht jedes Land, die eigenen Verdienste zu veranschaulichen: die Ungarn die Grenzöffnung zu Österreich, die Polen die Solidarność und den Runden Tisch, und die Deutschen die erste erfolgreiche Revolution ihrer Geschichte. Wie sehen Sie diese Hierarchie der Verdienste?
Richard von Weizsäcker: Aus der Perspektive dessen, was sich auf dem deutschen Boden zugetragen hat, war das Erstaunlichste und Ermutigendste die schrittweise Entwicklung einer Zivilgesellschaft in der DDR, die dann auch das SED-Regime zu Fall gebracht hat. Das hat aber nur dann einen Sinn, wenn man die erste wirklich große Bürgerbewegung im ganzen sowjetischen Machtbereich sieht, und das war zweifellos die Solidarność. Es stimmt zwar, dass sie ohne die Helsinki-Konferenz 1975, die den Menschen im Ostblock gewisse Garantien für ihre Handlungsräume gab, nicht möglich gewesen wäre. Doch es ist selbstverständlich, dass die Solidarność – seit ihrer Entstehung im Jahre 1980, über ihr Ausharren im Kriegszustand bis zum Runden Tisch im Frühling 1989, der ein Signal für die gewaltlose Revolution in anderen sozialistischen Ländern war – das entscheidende Beispiel zivilgesellschaftlichen Engagements für den ganzen Ostblock war.
Und Gorbatschow?