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Fryderyk Chopin – Genie, Dandy und Mann der Gesellschaft

Jan Morek / Forum
In den kulturellen Salons wird er wieder ungewöhnlich oft zu Gast sein – 2010 wird sein 200. Geburtstag und das Chopin-Jahr gefeiert.

Chopinetto – so taufte man ihn in Paris. Im  von ihm als Jugendlicher verfassten „Kurier Szafarski“ [den Briefen aus Szafarnia, in denen er Warschauer Tagezeitungen parodiert] spricht er von sich als Monsieur Pichon. George Sand  nennt ihn Chop, Heine bezeichnete ihn als den Raffael des Klaviers, aber es gab auch andere, die wie Liszt  oder Berlioz einfach sagten: ein Genie.

Fryderyk Chopin hatte alle Voraussetzungen, um erfolgreich zu werden. Doch dafür musste er Polen verlassen. Toutes proportions gardée, hatte sein Vater nicht weniger Erfolg im Leben, allerdings verlief sein Weg entgegengesetzt zu dem seines Sohnes: von Frankreich nach Polen. 

Nicolas Chopin wurde in dem kleinen Dorf Marainville in die Familie eines Stellmachers geboren. Wahrscheinlich erhielt er keine Ausbildung, die die Chronisten verzeichnet hätten, es gelang ihm aber, als Jugendlicher Gehilfe von Jan Adam Weydlich zu werden, dem Verwalter der Besitzungen des Grafen Pac, der in der Epoche von Stanisław Leszczyński  (Mitte des 18. Jahrhunderts) ein kleines Landgut im französischen Lothringen erworben hatte. Als Pac das Gut verkaufte, kehrte Weydlich mit seiner Familie und dem damals sechzehnjährigen Nicolas nach Polen zurück. Chopin Vater nahm „eine Geige, eine Flöte und mehrere Bücher von Voltaire  mit. Mit Voltaire und einem seiner Bücher geht auch diese Geschichte zu Ende. Als Nicolas’ Sohn, umgeben von vielen Freunden, in seiner Wohnung an der Place Vendôme in Paris starb, ließ er sich in der vorletzten Stunde aus Voltaires „Philosophischem Wörterbuch“ vorlesen. Das Buch stand bei ihm im Regal. Vielleicht war es sogar dasselbe Exemplar?

Nach seiner Ankunft in Warschau nahm Nicolas Chopin verschiedene Beschäftigungen an; er war Buchhalter, kämpfte im Kościuszko-Aufstand  und erreichte sogar den Rang eines Hauptmanns, doch schließlich wurde er, wie so viele französische Emigranten, Hauslehrer. Zunächst erzog er die Kinder der Gräfin Łączyńska, darunter ihre Tochter Maria, die spätere Gräfin Walewska  – Napoleons Mätresse. Bei seiner nächsten Verpflichtung, wie man damals sagte, wurde er Lehrer des jungen Fryderyk Skarbek, des künftigen Ökonomieprofessors, Historikers und Literaten.

Der Landsitz der Skarbeks, Żelazowa Wola, wurde zum Geburtsort des Komponisten. Fryderyks Mutter war Tekla Justyna Krzyżanowska (einigen Historikern zufolge eine entfernte Verwandte der Skarbeks), die ihnen den Haushalt führte.

Chopin senior spielte mehrere Instrumente und wusste die Feder ebenso gut zu gebrauchen wie den Verstand. In späteren Jahren unterrichtete er am Warschauer Lyzeum [hier Gymnasium, Anm. d. Red.]  sowie der Artillerie- und Ingenieur- bzw. Militärvorbereitungsschule. Dort lehrte er nicht nur Französisch, sondern auch Deutsch. Verfolgt man die Korrespondenz, die er mit seinem Sohn führte, kann man beobachten, dass sein Französisch, statt sich im Laufe der Zeit zu verschlechtern, immer formvollendeter wird. Sicherlich unter dem Einfluss seiner Lektüren.

Die ersten Kinder der Chopins waren die Töchter Ludwika und Izabela, der Sohn Fryderyk wurde am 1. März 1810 geboren (ihm selbst und seiner Mutter zufolge, in der Geburtsurkunde steht als Datum der 22. Februar). Kaum sechs Monate nach seiner Geburt zieht die Familie des künftigen Komponisten nach Warschau um, wo eine weitere Tochter, Emilia, auf die Welt kommt.

Die Chopins wohnen zunächst im Sächsischen Palais, dann im Kazimierzowski-Palais und später, schon nach dem Tod der tuberkulosekranken Emilka, im Krasiński-Palais. Lauter gute Adressen. Sie führen eine Pension für Schüler aus der Provinz, was den Eltern zusätzliche Einkünfte bringt. Aus dem Kreis der Pensionsgäste stammen auch Fryderyks Freunde: Jan Białobłocki, Jan Matuszyński, Tytus Woyciechowski. Bis auf Woyciechowski sterben sämtliche seiner zahlreichen Freunde an Tuberkulose, einer damals unheilbaren und nicht völlig erkannten Krankheit. Im 19. Jahrhundert wusste man noch nicht, dass Schwindsucht ansteckend ist.

Fryderyk schwächelt und hustet von Kindesbeinen an, aber irgendwie gelingt es ihm, diese Lungenleiden zu überwinden, und im Alter von 13 Jahren beginnt er, die Schule zu besuchen. Das Lyzeum beendet er jedoch nicht, die Familie hält das für eine Zeitverschwendung; er nimmt das Studium am Konservatorium auf. Seit seinem sechsten Lebensjahr spielt er Klavier. Er hatte es sich selbst beigebracht und war mit gerade einmal sechs Jahren imstande, jede Melodie nach dem Gehör nachspielen. Er konnte auch improvisieren. Folglich wurde er als Wunderkind bezeichnet, denn Wunderkinder waren gerade in Mode. Diese von den Eltern über die Maßen ausgebeuteten Kinder starben nicht selten jung, doch Chopin wurde in seiner Kindheit nicht überfordert, einige Stunden Üben reichten ihm, und er konzertierte auch nicht öffentlich gegen Honorar. In seinem ganzen Leben gab er nur rund dreißig bezahlte Konzerte, zu denen sich überwiegend seine Freunde und Bekannten versammelten.

Die Eltern sorgen für seine geistige wie physische Entwicklung, er wird geliebt, gehätschelt und gelobt. Die warme häusliche Atmosphäre gibt ihm Selbstsicherheit, er weiß, wer er ist, was er bedeutet und wie viel er wert ist. Einstweilen studiert er jedoch Musik, zuerst bei Wojciech Żywny  und dann bei Joseph Elsner. Żywny, ein ständig mit Schnupftabak bestaubter Tscheche, war Geiger, doch eines wusste er sicher: Einen so talentierten Jungen darf man nicht hemmen. Er erlaubte ihm, alles selbst herauszufinden, und vielleicht liegt diese Methode Chopins Originalität zugrunde. Er war immer auf der Suche. Żywny brachte ihm bei, was er ihm beibringen konnte: die Grundlagen der Harmonie und Komposition. Ihm verdankte Fryderyk auch die Bekanntschaft mit der Musik Johann Sebastian Bachs, eines damals unmodernen und ein wenig in Vergessenheit geratenen Komponisten.

Die ersten bereits 1817 von Fryderyk komponierten Werke waren zwei Polonaisen, in g-moll und B-Dur. Von Nicolas aufgezeichnet, wurden sie in der Monatszeitschrift „Pamiętnik Warszawski“ mit der Anmerkung veröffentlicht, sie stammten von einem achtjährigen musikalischen Genie. So fing es an. Einen Monat nach Erscheinen des Artikels trat der kleine Frycek [in Polen gebräuchliche Koseform des Vornamens Fryderyk, Anm. d. Red.] seinem ersten Konzert auf, dessen Einnahmen für wohltätige Zwecke bestimmt waren. Der „Pamiętnik“ hatte ihn zwar älter gemacht, doch im Allgemeinen machte man ihn jünger, passend zum minderjährigen Genie. Julian Ursyn Niemcewicz behauptete, die Fürstin Sapieha habe sogar vorgeschlagen, dass es „noch mehr Eindruck auf das Publikum (…) machte, wenn man auf die Plakate schriebe, dass das kleine Chopinchen von der Kinderfrau auf dem Arm getragen wird“.

Mit diesem Auftritt ist eine Anekdote verbunden. Als man den Knirps fragte, was dem Publikum am meisten gefallen habe, antwortete er: „Mein Spitzenkragen“. Es lässt sich nicht verbergen - Fryderyk Chopin war ein Dandy, für den der Schnitt eines Gehrocks und die Façon eines Hutes von größter Bedeutung waren. Wie Liszt über ihn schrieb, „es war soviel Distinguiertheit in seiner Haltung und seinen Manieren, die eine gute Erziehung verrieten, dass er wie ein Fürst behandelt wurde“.

Als er zwölf wurde, übernahm Joseph Elsner, der Direktor des Warschauer Konservatoriums, seine musikalische Erziehung. Auf das Abschlusszeugnis schrieb er: „Besondere Begabung. Musikalisches Genie“. In jener Zeit komponierte Chopin die beiden ersten ernsten Werke: Die Variationen über „Là ci darem la mano“ aus Mozarts „Don Giovanni“ in B-Dur op. 2 und die Sonate c-moll op. 4. Ein Jahr darauf folgten die Fantasie über polnische Volkslieder A-Dur op.13 und das Rondo à la Krakowiak op.14. Diese beiden Kompositionen für Klavier und Orchester wurden publiziert, sie wurden in ganz Europa bekannt und bahnten Chopin gleichsam den Weg zum künftigen Erfolg.

In jener Zeit konzertierten in Warschau Sterne erster Größe. Der junge Fryderyk hörte u.a. Paganini  und Catalani, Lipiński und Heller, Sontag  und Hummel. Man diskutierte über Klassik und Romantik, über nationale Musik. Schon in Polen und später in Paris wollte man Chopin überreden, eine Nationaloper zu komponieren, doch er hatte von frühester Jugend an eine klare Vorstellung davon, was er zu tun hatte. Was er wollte und was nicht. Er wollte komponieren und spielen. Aber die Oper war nicht sein Genre. Er mochte auch das Spiel mit Orchester nicht, ebenso wenig wie Menschenmengen und wenn viele Augen auf ihn gerichtet waren.

Außer seinem musikalischen Talent zeichneten ihn beachtliche schauspielerische und parodistische Fähigkeiten aus; seine Freunde unterhielt er mit kleinen schauspielerischen Etüden. Diese originellen Vorstellungen, die oft mit eigener musikalischer Begleitung untermalt waren, trugen zu seiner Popularität bei. Auf Einladung von Kommilitonen verbrachte er jede Ferien auf dem Land, wo er ausführliche Briefe an seine Familie schrieb und eine Art Chronik der Ereignisse, den sogenannten „Szafarnia-Kurier“ verfasste. Nicht wenige Satiriker und Schriftsteller seiner Zeit mögen Monsieur Pichon um sein literarisches Talent beneidet haben. Er hörte Dorfkapellen und Gelegenheitsmusikanten zu. Er zeichnete Volkslieder auf. Er musizierte mit Freunden und, wie er schrieb, „da gibt es nichts Arrangiertes, nur was in der Runde gerade in den Sinn kommt, wird gespielt“. Diese musikalischen Sessions erinnern der Beschreibung nach eher an Jazz-Improvisationen als an ernste Musikquartette. Nach Bach entdeckt er Beethoven, der damals ebenso wenig populär war, und ist begeistert. Wie Iwaszkiewicz  schreibt, war das „eine intime Quelle der Rettung vor der schlechten Musik, die ihn in Warschau überwältigen wollte“. Der Beginn des 19. Jahrhundert war eine Zeit, in der zusammen mit ihm eine ganze Gruppe hervorragender Altersgenossen neu auf den Musikmarkt kamen: Liszt, Schumann, Mendelssohn. Sie sind um die zwanzig, sehr talentiert und verdrängen Komponisten wie Hummel, Field oder Cramer, deren Epoche zur Neige ging.

Witzig, ausgezeichnet erzogen und weltgewandt, des Deutschen, Englischen, Italienischen, Französischen und – aber sicher! - Lateinischen mächtig, gern und viel Klavier spielend, war Chopin ein gesuchter Gast auf den Landsitzen des Adels und in den Warschauer Salons. Er mochte das Salonleben, für das er anscheinend wie geschaffen war. Gesellschaftliche Talente, Umgangsformen und die Fähigkeit, sich zu benehmen, rentierten sich, sie bildeten den Grundstein für seinen großen Pariser Erfolg. Musiker wurden wie Mietpersonal behandelt, Chopin dagegen war immer und überall ein Mann der Gesellschaft, der besten Gesellschaft. Er konzertierte wenig, gab teure Unterrichtsstunden, war gern gesehen und gesucht. Nicht er bemühte sich, man bemühte sich um ihn.

Seine erste – platonische und ätherische - Liebe war Konstancja Gładkowska, eine junge Schülerin der Gesangsklasse. Für sie, wie er sagte, schuf er das wunderbare Larghetto – den langsamen Satz des ersten Klavierkonzerts f-moll op. 21, das er zu Beginn des Jahres 1830 fertigstellte. Manche Biographen behaupten, Konstancja habe von dieser Liebe erst am Ende ihres Lebens erfahren, doch der Korrespondenz nach zu urteilen, war es nicht ganz so schlimm. Aber die Liebe zu Konstancja ging schnell vorüber, was verständlich sein mag, denn das Fräulein sang miserabel.

1830 ziehen dunkle Wolken über Warschau auf, der Widerstand gegen den Zaren und den Großfürsten Konstantin schwillt an. Fryderyk, der schon mehrmals durch Europa gereist war und einen Ersatz für die damals übliche Grand Tour hinter sich hatte (Ersatz deshalb, weil er schließlich nicht über die gleichen Mittel verfügte), schickt sich an, das Land zu verlassen. Es steht zu vermuten, dass man ihn fortschickt, damit er dem, was in der Luft liegt, entgeht – dem nächstenAufstand. Er soll Karriere machen. In Warschau ist das unmöglich. Er braucht internationalen Erfolg, Ruhm und nicht zuletzt Schüler. Er muss fahren. 

Im Reisekoffer hat er seine ersten Kompositionen: die Variationen über ein Mozart-Thema, Etüden, eine Handvoll Mazurken, ein paar Nocturnes und, wie er nicht versäumt, stolz zu berichten, neue Hosen. Zunächst besucht er Berlin und Wien, aber das sind während des Aufstands nicht allzu freundliche Orte für einen polnischen Musiker. Verleger und Veranstalter, die ihm beim vorigen Besuch gewogen waren, zeigen kein Interesse. Angebote für Konzerte und Klavierstunden sind rar, also macht er, was er von Anfang an vorhatte: Er setzt sich in eine Kutsche und fährt nach Paris. Denn, wie er seinem Freund Tytus schrieb, nirgendwo gibt es so viele Esel und Virtuosen wie hier.

Hier ist er schon bekannt, hat man schon von ihm gehört. Die Welt war damals kleiner. Er steigt aus der Kutsche aus und nimmt sich ein bescheidenes Zimmer in einem Gasthof. Ein Jahr später hat er ein elegantes Appartement am Fuß des Montmartre und lässt seine Fracks bei Dautremont, dem besten Pariser Schneider, anfertigen.

Er lernt Liszt kennen, der, von seinem Spiel fasziniert, sein Freund wird. Die Czartoryskis, diePlaters  und die berühmte Delfina Potocka nehmen den jungen Komponisten unter ihre Fittiche. Nach wenigen Monaten übersteigt die Schlange derer, die Unterricht bei ihm nehmen wollen, seine Möglichkeiten. Und so wird es nun immer sein. Auf Klavierstunden warten die Damen Rothschild und Fürsten von Geblüt. Chopin nimmt die höchsten Honorare in Paris, eine Stunde entspricht fünf Tagelöhnen eines Arbeiters. Er kennt seinen Wert und gibt keine Konzerte. Musikverleger reißen sich um seine Werke, und mit einem Geschick, das niemand bei ihm vermutet hätte, nutzt er das Interesse, um immer höhere Preise auszuhandeln. Er spielt in den Salons von Freunden und Bekannten, er ist ein rares Gut, ein geschätztes und verehrtes Genie. Er ist 22 Jahre alt.

Die berühmten Musiker Kalkbrenner und Malfatti nehmen sich seiner an, [Camille] Pleyel stellt ihm seine besten Flügel zur Verfügung und ist der Sponsor seines ersten Pariser Konzerts, das am 26. Februar 1832 stattfand. Chopin spielte darin das Klavierkonzert f-moll. Unter den Zuhörern waren Liszt und Mendelssohn, der, wie es in Rezensionen hieß, enthusiastisch applaudierte und sich ebenfalls dem Kreis der Verehrer von Chopins Talent anschloss. Amüsant ist, dass Chopin selbst mit seiner Begeisterung über das Schaffen seiner neuen Freunde wesentlich zurückhaltender war. 

Paris war zu jener Zeit ein Paradies für Musikliebhaber, es hatte drei Operntheater, zehn Schauspielbühnen und eine Vielzahl kleinerer Konzertsäle. Jeden Abend war Chopin im Theater oder im Konzert und danach auf einem Empfang. Wie schon in Warschau war er die Seele der Gesellschaft; Słowacki schrieb: „Es war langweilig, aber schließlich war Chopin berauscht und hat angefangen zu spielen… Wir haben uns bis zum Morgen amüsiert.” 

Doch neben dem Zeitvertreib und den Klavierstunden, von denen er rund sechs jeden Tag gab, komponierte er: weitere Etüden, Scherzos, Balladen und Mazurken. 



Im August 1835 gelingt es ihm, sich mit seinen Eltern in Karlsbad zu treffen. Er verbringt mit ihnen einen ganzen Monat, in dem er das familiäre Glück genießt, und nach dem Abschied, auf der Rückfahrt über Dresden, trifft er Feliks Wodziński, einen Freund aus der Kindheit. In Dresden halten sich auch dessen Schwestern auf. Eine von ihnen, Maria, ist eine gute Pianistin und Zeichnerin. Chopin verliebt sich, möglicherweise auch nicht, auf jeden Fall aber beginnt er, um sie zu werben. Er widmet ihr den Walzer As-Dur Nr. 1, sie musizieren zusammen. Fryderyk denkt an eine Ehe. Die Werbung wird von der Familie Wodziński freundlich aufgenommen, aber die Mutter stellt eine Bedingung: Die jungen Leute müssen ein Jahr abwarten, und Fryderyk soll in der Zeit seine Gesundheit stärken.

Ein Jahr lang korrespondieren Maria und Fryderyk. Doch im nächsten Jahr verändern sich die Pläne der Familie Wodziński, die Briefe werden seltener, und die ganze Affäre schläft ein. Fryderyk bindet ein rosa Schleifchen um den Stapel Briefe von Maria und schreibt darauf, ganz im romantischen Geist: „Mein Unglück“. Die Biographen waren der Ansicht, dass die Familie Wodziński den Komponisten für eine allzu niedrige Verwandtschaft hielt, doch Jarosław Iwaszkiewicz, der sich mit Verwandtschaften wie kaum ein anderer auskennt, schreibt in seinem Buch über Chopin humorig, es habe sich um eine dreiviertel-aristokratische Familie gehandelt, weder besonders reich, noch allzu vorteilhaft verschwägert. Das Hindernis seien Chopins gebrechliche Konstitution gewesen und die Schwierigkeiten, die sich aus seinem Beruf ergaben. Mit lukrativen Klavierstunden wäre es irgendwo auf dem polnischen Dorf schwierig geworden. Aber wie viel er da komponiert hätte… So wie in Nohant.

Nohant gehörte George Sand, der Heldin von Chopins einziger ernsthafter Romanze. Über diese Liaison sind ganze Bände geschrieben und mehrere Filme gedreht worden. Er begegnete ihr zum ersten Mal im Herbst 1836. Sie schrieb über ihn: „Etwas so Edles, so Aristokratisches“. Er dagegen: „Was für eine abstoßende Frau, diese Sand, ist das überhaupt eine Frau? Ich bin geneigt, das zu bezweifeln.“ Und dennoch.

George Sand war jemand Außergewöhnliches; ihre Herkunft bietet Stoff für einen langen Roman, den André Maurois übrigens auch verbrochen hat. Sie hieß Aurora Dudevant. Sand ist ein Künstlername, denn sie schrieb fast ebenso viele Romanzen wie Balzac  Romane. Sie war eine Baronin, wenngleich ihr Mann der uneheliche Sohn eines Dienstmädchens und eines Barons war. Ihr Ex-Mann. Ihre Ururgroßmutter war die Gräfin Aurora von Königsmarck, eine Geliebte Augusts des Starken, des Königs von Polen, und die Tochter eines schwedischen Feldmarschalls. Der illegitime Sohn von Aurora und August, Moritz von Sachsen, ließ sich gegen Ende seines sehr stürmischen Lebens auf eine Liaison mit der Zofe Marie Rainteau ein, der Großmutter von George Sand. Dazwischen hatte er noch eine Reihe verschiedener – formelle und informelle - Verhältnisse, und so fügte es sich sonderbar, dass Sand sowohl mit drei französischen Königen als auch mit einem wandernden Vogelhändler und einer ganzen Reihe häuslicher Dienstboten verwandt war.

Nicht nur ihre Herkunft war faszinierend, sondern auch ihr Leben. Sands Liebhaber lassen sich schwer zählen, unter ihnen finden sich sowohl Balzac als auch Musset und Mérimée, über den sie zu Marie Dorval (einer Schauspielerin, mit der man sie ebenfalls in Verbindung gebracht hat) sagte: „Ich hatte gestern einen Mérimée-Abend. Überbewertet.“ Manche schrieben, nicht ohne Grund, dass die Namen ihrer Liebhaber ihr dauerhafteren Ruhm sichern würden als ihre Romane. Sie trug Männerkleidung, rauchte Zigarren und fluchte wie ein Bierkutscher. Und nachts schrieb sie viel gelesene Romane, nach denen die Leserinnen seinerzeit ganz versessen waren. Mit Baron Dudevant hatte sie zwei Kinder, die Tochter Solange, später eine Halbweltdame, und den Sohn Maurice, einen zweitklassigen Maler. Ohne Zweifel weckte sie, aber darum ging es ihr auch, wie es scheint.

George war mit Liszt und seiner Geliebten, der Gräfin d’Agoult, befreundet, und wünschte sich nun auch einen Musiker, so wie sie. Chopin eignete sich ideal, also angelte sie ihn sich einfach. Sie fuhren zusammen nach Mallorca, und diese Reise entwickelte sich zu einem Horrortrip. Die Frau in Hosen und der tuberkulosekranke Komponist lösten bei den Einheimischen Aggressionen aus. Man bewarf sie mit Steinen, man spuckte sie an, man verlangte von ihnen Unsummen für Lebensmittel. Überdies regnete es die ganze Zeit, und Chopin erkrankte ernstlich. Danach behandelte man das Paar wie Aussätzige. Im Unterschied zu Polen und Frankreich wurde in Spanien Tuberkulose als ansteckende Krankheit betrachtet, und es gab Vorschriften, wonach Gegenstände, die den Kranken gehörten, zu verbrennen waren. Die dauernden Wechsel der Unterkunft zogen immer wieder Zahlungen für verbrannte Betten und Bezüge und die Suche nach einer neuen Bleibe nach sich. In einer solchen Situation kommt es leicht zu Konflikten, und doch hatte die Liaison Bestand.

Trotz ihres Temperaments war George Sand eine ungewöhnlich fürsorgliche Frau. Sechs Jahre älter als der Komponist, litt sie unter dem Syndrom des ungeliebten Kindes, warb um Zuneigung und widmete sich ihm ganz und gar. Während der gesamten Dauer ihrer Beziehung kümmerte sie sich so gut sie nur konnte um Chopinetto. Sie schuf ihm einfach ein Zuhause. Er verbrachte die Sommermonate bei ihr in Nohant, wo er wie besessen komponierte und nach den schweren Pariser Wintern voller Klavierstunden und Bronchienentzündungen wieder zu Kräften kam. Dort komponierte er u.a. die Ballade As-Dur, das Nocturne op. 48, die Fantasie f-moll op.49, die Polonaise As-Dur, das Scherzo E-Dur und die Berceuse Des-Dur. Zu Besuchen nach Nohant kamen Balzac, Liszt, die berühmte Sängerin Pauline Viardot  und vor allem Eugène Delacroix, der über viele Jahre Chopins engster Freund und Partner für intellektuelle Gespräche war.

1847 kam es jedoch zum Bruch zwischen Chopin und George Sand. Wie es scheint, war die Beziehung ausgebrannt. Chopin wurde zu krank und beschwerlich, er wagte es, George zu kritisieren, und das tolerierte sie nicht. Der Bruch nahm den immer schwächer, kränker und einsamer werdenden Chopin sehr mit. Auf Zureden seiner Schülerin Jane Stirling, die ihn sehr verehrte, reiste er nach England. Während der Revolution von 1848 war es für ihn schwer, in Paris ein Auskommen zu finden, doch die Reise untergräbt seine ohnehin angegriffene Gesundheit noch weiter. Er komponiert kaum mehr. Nach Paris zurückgekehrt, legt er sich einfach ins Bett und beginnt zu sterben. Dessen ist er sich bewusst, und er ruft seine Schwester Ludwika aus Polen zu sich. Nach wie vor kümmern sich Jane Stirling und Marcelina Czartoryska  um ihn. Von Freunden umgeben, stirbt er am 17. Oktober 1849 um zwei Uhr morgens in seiner Wohnung an der Place Vendôme.

Dank seiner phänomenalen Technik machte Chopin aus dem Klavier ein Instrument mit bis dahin nicht gekanntem Klang und Ausdruck. Er entdeckte völlig neue technische und klangliche Möglichkeiten. Doch nicht allein das trug zu seiner Einzigartigkeit bei. In der Musik, die er schuf, dominiert das Gefühl, und der reiche melodisch-harmonische Inhalt ist ungewöhnlich raffiniert. Er war ein unerreichter Meister der Melodie, in der einfachen, kantablen Form ebenso wie in komplizierten Figurenverläufen.

Er war es, der als erster die klassischen tonalen Regeln lockerte und neue, u.a. aus der Volksmusik stammende Tonleitern einführte, der auf innovative Art und Weise Dissonanzen nutzte und neue Möglichkeiten von Akkordverbindungen schuf, der mutige Modulationen und überraschende Wechsel der Tonart verwendete. Oder wie einmal jemand schrieb: „Liszt hat im Klavier das Orchester gesucht, Chopin - das Klavier.“

 

Der Text erschien in der Polityka Nr. 1/2010 vom 29.12.2009. Übersetzung: Silke Lent| Redaktion: Paul-Richard Gromnitza 

 

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