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Świat

Weder Fisch noch Fleisch

Adam Kozak / Agencja Gazeta
Die Probleme der polnischen Linken sind kein Einzelfall. Seit einiger Zeit zersetzt die sozialdemokratischen Parteien in Europa ein starkes Chaos von Ideen.

Die Niederlagen und Erfolge großer ideeller Formationen kommen und gehen in Wellen. Die 70er Jahre waren in Westeuropa die Dekade der Sozialdemokratie, was auch zu den Transformationen in unserem Teil Europas beigetragen hat. So mancher Reformer aus dem Ostblock hat versucht, sich so charismatischen Figuren wie Brandt, Kreisky oder Palme anzuähneln. Dann brach die Dekade der Liberalen und Neokonservativen an, der Margaret Thatcher und der Reaganomics. Der Zerfall des Kommunismus 1989 verlängerte diese Phase um weitere Jahre. In den Schocktherapien, der Privatisierung, und dem Abbau von Sozialleistungen und –privilegien sah man die einzige Medizin gegen das politisch repressive und wirtschaftlich unfähige sowjetische Staatsmodell.

Dennoch war für viele Parteireformatoren in unserem Teil Europas die Sozialdemokratie das gelobte Land. Das ist der Treppenwitz der Geschichte, 40 Jahre nach dem von Stalin erzwungenen Zusammenschluss der Arbeiterbewegung sollten die westlichen Sozialdemokraten die postkommunistischen Schiffbrüchigen des Realsozialismus’ aufnehmen. Die einen – wie die polnische SLD (Bund der Demokratischen Linken) oder die ungarische MSZP (Ungarische Sozialistische Partei) – waren gern gesehen, da man ihre Verdienste als Parteireformatoren bei der Demontierung des Ancien Régime anerkannte. Andere – wie die postkommunistische PDS – wurden abgelehnt, weil man der Meinung war, sie sei nur ein vorübergehender Auswuchs neben der ehrwürdigen SPD.

Mitte der 90er Jahre bekamen die Sozialdemokraten im sich vereinigenden Europa Aufwind. In unserem Teil des Kontinents begannen die von den Kosten der Transformation (Arbeitslosigkeit und neue Ungleichheiten) enttäuschten Wähler auf die neuen Sozialdemokraten zu setzen, trotz deren kommunistischer Vergangenheit. In Westeuropa dagegen baute man auf die Neosozialdemokraten, die davon überzeugt waren, den Stein der Weisen für die Zukunft gefunden zu haben: die Verbindung aus Neoliberalismus und sozialdemokratischer Tradition. Als in Polen Aleksander Kwaśniewski Präsident war und in Ungarn Gyula Horn Premier, setzte die New Labour Party des Tony Blair in Großbritannien die von den Konservativen begonnene Privatisierung des öffentlichen Sektors fort. In Deutschland verkündete Gerhard Schröder, die SPD repräsentiere die Neue Mitte, und kürzte mit drastischen Reformen die sozialen Zuwendungen. Und in Frankreich forcierte der Premier der dritten Cohabitation (franz. „Zusammenleben“ der Sozialisten und Gaullisten) Lionel Jospin gegen seine eigene Partei die Privatisierung großer Banken und renommierter Unternehmen: Air France und Thomson.

Dieses philosophische Gemisch aus Neoliberalismus und forschem Glauben an die Zukunft der Sozialdemokratie war charakteristisch für die technokratischen Sieger der Geschichte. Symbol für dieses Gemisch war das gemeinsame Manifest von Blair und Schröder im Jahre 1999, das bei den Wählern schnell an Glaubwürdigkeit verlor. Vor zehn Jahren waren die Sozialdemokraten auf ihrem Höhepunkt. Sie regierten in 10 von 15 EU-Staaten und (zu unterschiedlichen Zeiten) in allen postkommunistischen Ländern.

Heute regiert das Mitte-Links-Bündnis nur noch in 8 EU-Ländern von 27. Und bald wird es noch eins verlieren: Großbritannien, wo die New Labour Party im Mai die Wahlen verlieren wird. Dieses Mal gibt es keine Garantie dafür, dass das Zurückdrängen der Sozialdemokratie in die Opposition ihre Selbsterneuerung hervorruft. Sozialdemokratische Analytiker gestehen zu, dass die Krise ihrer Formation nicht daher rührt, dass Blair die britische Gesellschaft in der Irak-Frage in die Irre geführt hat, und dass Schröder sich von Gazprom aushalten lässt, sondern daher, dass der erkennbare Wertekanon, die politische Philosophie und die sozialen Gedanken, die im 21. Jahrhundert für die Sozialdemokratie hätten stehen können, ausgebrannt sind.

Die Befürchtungen sind nicht grundlos. Man hätte schließlich den Eindruck bekommen können, dass die globale Finanzkrise von 2008, die die neokonservative Philosophie und die neoliberale politische Ökonomie diskreditiert hat, den Sozialdemokraten mehr Wähler bescheren würde, so wie in den USA Obama. Aber das ist nicht der Fall. Durch die Reformen, die die Sozialdemokratie durchgeführt hat, und durch die internationale Finanzkrise gewinnen die konservativen Parteien. In Deutschland hat die Christdemokratie Schröders notwendige Agenda 2010 (das Pendant zum polnischen Hausner-Plan) inklusive der drakonischen Arbeitsrechtsreform Hartz IV problemlos geschluckt. Und im September 2009 gewann sie die Bundestagswahlen, indem sie mehr Staat versprach, weniger Kontrolle und etwas mehr nationalen Egoismus. Die neoliberale Drehung der Sozialdemokratie wurde von dem traditionellen Wähler der Linken nicht akzeptiert. Er wanderte ab zu den populistischen Nationalisten Le Pen, Haider oder den Kaczyński-Brüdern, manche gingen zu der klassischen sozialistischen Linken und zum Postkommunismus im Stile der Rosa Luxemburg sowie zu den neuen ökologischen Bewegungen.

Die SPD, die größte und älteste sozialdemokratische Partei in Europa, hat innerhalb von zehn Jahren die Hälfte ihrer Mitglieder und die Hälfte ihrer Wähler verloren. Am Tag der Bundestagswahl im September blieben viele zu Hause und die Mehrheit lief zu der neu entstandenen Partei Die Linke über, ein Sammelbecken aus Abtrünnigen der postkommunistischen PDS und der SPD.
Jetzt ist Die Linke für die SPD das Würgeisen, nimmt ihr 10 Prozent der Wähler, obwohl sie gleichzeitig keine Chance hat, an der Regierung beteiligt zu sein. Sie erinnert ein wenig an die Partei ideologischer Miesmacher, die sich darüber im Klaren ist, dass sie nie Entscheidungen über den Staat oder die europäische Gemeinschaft treffen wird.

Bei unseren Linken sieht es zwar ähnlich aus, aber dennoch ein bisschen anders. Im Gegensatz zu der postkommunistischen Partei PDS musste unser SLD – und seine Entsprechungen in anderen Ländern des ehemaligen Ostblocks – nach 1989 Entscheidungen über die Zukunft des Staates und der Nation treffen, ohne dabei im Blick haben zu können, ob sie der linken Doktrin entsprechen, sondern ob sie den Beitritt zur EU und zur NATO nach vorn brachten. Nachdem diese Ziele erreicht waren, endete ihre strategische Rolle.

Dagegen verlor die SLD sowohl wegen der aktuellen Korruptions-Affären als auch aus historischen Gründen wieder an Glaubwürdigkeit. Die Vergangenheit wurde zum Hauptrumpf bei zwischenparteilichen Auseinandersetzungen. Und die durch den Wähler an den Rand verdrängte und von den Hauptkonkurrenten immer mehr isolierte Sozialdemokratie begann, sich in den eigenen Schwanz zu beißen. Demonstrative Aus- und Wiedereintritte, gegenseitige Beschuldigungen, Versöhnungen und Kämpfe um mediales Prestige demotivierten die Wähler des SLD, veranlassten sie aber nicht, eine unserer kurzlebigen linken Erscheinungen zu unterstützen. Von der Niederlage 2005[Die SLD  errang nur rund 11 Prozent der Stimmen, 2001 hingegen hatte sie mit 41 die Wahlen gewonnen, Anm. d. Red.]  hat sich die polnische Sozialdemokratie noch immer nicht erholt. Ein Generationswechsel ist nicht gelungen, weil personelle Streitigkeiten zwischen Grzegorz Napieralski und Wojciech Olejniczak die Debatte um Parteiprogramme überdeckt haben. Gleichzeitig hat das krampfhafte Bündnis mit PiS in der Medienfrage den Komplex unser Linken gegenüber der post-Solidarność-Rechten aufgedeckt. Von der Rechten vehement angegriffen, wollte die Linke auch dort Akzeptanz finden, zumal in Polen die vom Fürsorgestaat der Volksrepublik Polen  geprägte Wählerschaft der SLD eben gerade zur nationalen Rechten und nicht zur extremen Linken abgewandert war.

Unsere inzwischen 20 Jahre alte Sozialdemokratie dreht sich im Kreise und beißt und streichelt abwechselnd ihren eigenen Schwanz. Einmal verstößt sie ihre Matadoren aus den 90er Jahren, ein anderes Mal holt sie sie wieder zurück. Gerade ist nach einer sonderbaren Reise über Samoobrona (Selbstverteidigung) und die Randerscheinung Polska Lewica (Polnische Linke) Leszek Miller zurückgekehrt. Józef Oleksy will den europäischen Kurs der SLD unterstützen. Präsidentschaftskandidat ist Jerzy Szmajdziński, aber fraglich ist, ob ihm die Erfahrung und Weltgewandtheit von Aleksander Kwaśniewski beim Wahlkampf nützlich sein werden. Die polnische Sozialdemokratie hat keine „Elder Statesmen“, keinen Willy Brandt oder Helmut Schmidt, weil sie noch immer eher der Erbe der PZPR (Polnische Vereinigte Arbeiterpartei) ist als der PPS (Polnische Sozialistische Partei), die im heutigen Polen nicht wirklich einen Nachfolger hat, und zwar weder in Form einer Partei noch als mentaler Erbe der sozialen Sensibilität und gemeinnützigen Mentalität der PPS.

Ein schwacher Trost ist, dass die Mehrheit der europäischen Sozialdemokratien an ähnlichen Krankheiten leidet. Sie pflegt ihre traditionellen sozialistischen Domänen nicht: gesellschaftlicher Aufstieg durch Kultur und Bildung, das spezifische historische Bewusstsein, das ganze liberal-demokratische Bürgerethos, das sich im Europa der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sowohl der Versuchung der postfeudalen Reaktionäre wie auch den totalitären Angriffen von links und von rechts entgegenstellte. In Polen ist dies die Tradition der ehrenamtlichen Arbeit fürs Volk, der PPS mit ihren Genossenschaften, den Volksuniversitäten und dem gemäßigten Antiklerikalismus. Diese Sozialdemokratie gibt es nicht mehr und wird es sicher auch nicht mehr geben. Unter anderem deshalb, weil fast alle Gruppierungen frühere sozialdemokratische Ziele als die ihrigen verkünden. Sarkozy zitiert Marx und ernennt in seiner Regierung einen ehemaligen Trotzkisten zum Außenminister. Die Bayerische CSU ist mit ihren Forderungen nach staatlicher Intervention und sozialer Absicherungen der Schröderschen SPD um Lichtjahre voraus. Und bei uns sind PiS und Samoobrona in sozialen Fragen der PZPR näher als die SLD.

Die Sozialdemokraten haben ein prinzipielles Problem, weil heute alle Gruppierungen behaupten, dass sie um Chancengleichheit und Schaffung von Arbeitsplätzen kämpfen. Aber die klassischen Werkzeuge für den Schutz von Arbeitnehmerinteressen (nämlich die Gewerkschaften) sind entweder zu Zitadellen geworden für den Schutz von Gruppeninteressen auf Kosten des Steuerzahlers oder (in privaten Unternehmen) eingegangen. Oder sie sind – wie in Polen – zu konservativen und traditionalistischen Positionen gewechselt. Ein anderer Schwachpunkt sind – bei uns noch nicht so sehr spürbar, aber in Westeuropa brennend – die Immigranten-Fragen. Weil die Konservativen und die Populisten vor nationalistischen Argumenten keinen Halt machen, bemühen sich nun auch die Sozialdemokraten, denen einst vorgeworfen wurde, ihnen würde das nationale Gen fehlen, übereifrig zu beweisen, dass sie gute Patrioten sind, und stimmen ebenfalls nationalistische Töne an. Der ehemalige Generalsekretär der SPD  [und Bundesminister für Arbeit und Soziales, Anm. d. Red.] Franz Müntefering wetterte ebenso wie der CSU-Chef Edmund Stoiber über den polnischen Fliesenleger, der den Deutschen die Arbeit wegnimmt. Schröder drohte, dass er Brüssel nicht gestatten würde „unser liebes Geld zu verbrennen“ und den Deutschen die deutsche Politik kaputt zu machen. Bei uns war es ähnlich. Gelähmt von dem Vorwurf der illegitimen Herkunft waren die sozialdemokratischen Gruppierungen nicht sonderlich gewillt, sich der stärker werdenden national-konservativen Geschichtspolitik entgegenzustellen.

Ein Trumpf der europäischen Sozialdemokraten war immer die Frauenfrage – angefangen von den Broschüren von August Bebel im 19. Jahrhundert bis zur heutigen Quotenregelung. Obwohl die Konservativen Margret Thatcher und Angela Merkel haben, haben die Sozialdemokraten prozentual den höchsten Frauenanteil, besonders die Skandinavier. Doch das ist trotzdem zu wenig, selbst in Skandinavien.

In Schweden haben die Sozialdemokraten im vergangenen Jahr verloren, obwohl es der schwedischen Wirtschaft gut geht. Die Gründe sind vor allem kultureller und zivilisatorischer und nicht ökonomischer Natur, meint Carl Tham, der ehemalige Bildungsminister: der Zerfall der klassischen Industriegesellschaft, die schrumpfende Arbeiterklasse, die immer individueller werdende Kultur sowie das allgemeine Mistrauen gegen die Politiker. Die Sozialdemokratie hat die Globalisierungsidee akzeptiert und keine eigene alternative Politik erschaffen. Sie war nicht in der Lage, neue Konflikte zu erkennen und „ihre eigene Idee einer guten Gesellschaft für die Zukunft“ zu formulieren, einer Gesellschaft, „die auf sozialdemokratischen Werten aufbaut, und gleichzeitig eine Antwort auf die sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen, ökologischen und ethischen Herausforderungen der Epoche gibt“, sagt Tham.

Ferenc Gyurcsány, der ehemalige Premier Ungarns, ist der Meinung, dass das Hauptproblem beider großen Parteien – denn hier hat die Christdemokratie ebenfalls unwiederbringlich an Dominanz verloren – in der Zerrissenheit zwischen Modernisierung und Tradition läge. Heute steckt der Teufel nicht in den großen Ideologien, sondern in den komplizierten Details der Wirtschaft und der staatlichen Verwaltung, die dem Wähler, der an mediale Bilder, an Posen und Beschimpfungen gewöhnt ist, nicht zu erklären sind. Deshalb werden die kommenden Jahre für die europäische Sozialdemokratie sehr frustrierend sein, voller Fraktionskämpfe, Versuche einer anachronistischen Rückkehr zu den Wurzeln, geräuschvoller Rückzüge und – obwohl sie keine größere Bedeutung haben werden – demonstrativer Versöhnungen. Schließlich wird – die Frage ist nur wann, bekennt Gyurcsány – die Sozialdemokratie den Schlüssel zu einem angemessenen Gleichgewicht zwischen Staat und Markt, zwischen Modernisierung des Landes und dem Erhalt wertvoller wirtschaftlich-sozialer Traditionen im Rahmen einer sozialen Markwirtschaft finden.

Oder ist es nur eine gute Mine zum bösen Spiel? Ein bisschen schon, sagt einer der wichtigsten Publizisten der holländischen Partij van de Arbeid René Cuperus – das linke Milieu in Europa sei heute zersplittert, zerschlagen seien die linken Gemeinschaften und die dem Kapitalismus kritisch gegenüber stehende Koalition aus Intellektuellen, Menschen mit höherer Bildung und Arbeitern, auch die Bündnisse verschiedener Schichten und Milieus, die sich für Demokratie eingesetzt haben. Das Problem der zentralen Linken bestehe darin, dass sie weder eine treibende Kraft der neoliberalen Globalisierung ist, noch ein Ort für nationalistische, xenophobische und protektionistische Reaktionen auf die so genannte moderne Degeneration der Gesellschaft.

Das Mitte-Links-Bündnis ist weder Motor für Veränderungen, noch eine Bremse, sie ist weder Symbol für Aktion noch für Reaktion. Weder das eine noch das andere. Und deshalb befindet sie sich in einer existentiellen Krise. Wir haben an Glaubwürdigkeit und Vertrauen verloren, sagt Cuperus, weil wir uns auf Machenschaften mit dem Neoliberalismus eingelassen haben und ihm nicht geholfen haben, den Sozialstaat zu reformieren. Und er rät, zur Vergangenheit zurückzukehren, notwendig seien ein neuer Revisionismus, ein sozialer, ökologischer Staat und sehr differenzierte Markkritik. Stellen wir den Abgrund zwischen der Politik der Rechten und der Linken wieder her. Durchlüften wir unsere Parteien, die zu Karrieremaschinen und Abstellplätzen für die alte Garde geworden sind. Versuchen wir Fuß zu fassen in den Firmen, in der Nachbarschaft und im Nichtregierungssektor, engagieren wir uns für die Verbesserung der Lebensqualität der unteren Schichten … Uff, das alles sind noble Mottos, seit Langem bekannt. Wie immer besteht das Problem darin, sie in die praktische Vernunft umzusetzen.


Der Text erschien in der Polityka Nr. 8 vom 17.02.2010 | Übersetzung Antje Ritter-Jasinska | Redaktion: Paul-Richard Gromnitza

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16.04.2024
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