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Und jetzt die Fiesta

Fot. Lasyk / REPORTER Fot. Lasyk / REPORTER Lasyk / Reporter
Fünf Jahre hat man uns geschreckt. Mit Rywin, der Korruption, den Agenten und Seilschaften, mit den Russen, Deutschen und Brüssel. Bis wir schließlich so verschreckt waren, dass kaum einer mehr Angst vor irgendetwas hat. Es sieht so aus, als sei der Fünfjährige Krieg gerade unbemerkt zu Ende gegangen.

Dieser Krieg brach mit der Rywin-Affäre aus und erlosch nach den letzten Wahlen. Die hitzigsten Ritter sehen das hinter ihren heruntergelassenen Visieren noch nicht, noch werfen sie einander die abgewetzten Fehdehandschuhe hin, hüllen sich ständig in die lädierten Rüstungen und kreuzen schartige Klingen, aber kaum jemanden kümmert das in diesem Sommer.

Die Doktoren Cenkiewicz und Gontarczyk planten wohl, gerade jetzt die letzte große Schlacht auszutragen, als sie aus schwerem Geschütz auf das Denkmal Lech Wałęsa feuerten, aber die Zeit ist gekommen, in der sogar ein Geschütz gähnt, wenn man es mit Lustrationskugeln lädt. Der Zeitgeist hat das IPN, das CBA, Wildstein und Kaczyński verlassen, um auf die Fußballplätze und gleich danach in die Pekinger Stadions, an die Strände, in Gärten und Pubs, auf die Bühnen einer Unzahl von Festivals und an alle möglichen Badeorte dieser Welt umzuziehen. Sorry Winnetou. Irgendetwas ist wohl in den polnischen Köpfen abgeschlossen, und begonnen hat wohl etwas völlig anderes.

Nach einem Krieg brauchen die Menschen bekanntlich etwas Freude. In diesem Sinne hat es Donald Tusk mit seiner Rede nach dem Wahlsieg nicht schlecht getroffen. Mit der Liebe hat er zwar ein bisschen übertrieben, doch statt ihrer erlebten die Polen eine Eruption der Freude. Zumal für die entschiedene Mehrheit der Gesellschaft dieser Krieg vielleicht unangenehm, aber nicht besonders kostpielig war. Und er zog an ihr vorbei. Der Fünfjährige Krieg ging mit der polnischen Volkswirtschaft so um wie der Zweite Weltkrieg mit Krakau. Einen Teil der Menschen behandelte er grausam, aber die materielle Substanz ließ er praktisch unangetastet. Manches wurde wegen dieses Krieges vielleicht nicht gebaut, aber nichts Wichtiges wurde zerstört. Auch kein alter Trend ist wegen dieses Krieges abgebrochen und kein neuer entstanden. Das heißt aber nicht, dass sich nichts verändert hätte. Im Gegenteil. Unbemerkt hat sich ein grundlegender qualitativer Wandel vollzogen.

Es fällt geradezu schwer zu glauben, dass sich in Polen alles zum Besseren wendete, während in den Medien die Eliten scheinbar bis zum Umfallen miteinander rangen. Doch in den Umfragen und der Statistik sieht man recht gut, dass es genau so war. In den sieben Jahren seit dem Beginn des Jahrhunderts wuchs die Gruppe der mit ihren Lebensumständen Zufriedenen in Polen von 30 auf fast 50 Prozent, und die Gruppe der mit ihren Einkommen Unzufriedenen fiel von fast 60 auf etwas über 40 Prozent. Das ist keine Veränderung, das ist eine Revolution. In diesen sieben Jahren hat sich der Schwerpunkt auf die andere Seite der Achse verlagert, die Glückspilze und Pechvögel voneinander trennt. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass aus einer Nation von Nörglern und Miesepetern eine Nation von eher heiteren und lächelnden Menschen geworden ist, die Vergnügen und Unterhaltung suchen. Nicht alle haben diese Wandlung durchgemacht, aber die Mehrheit hat ihn schon hinter sich.

Mit vollen Mägen lässt sich nicht alles erklären, aber wenn man etwa die Kurve der Zufriedenheit mit der eigenen finanziellen Situation betrachtet, kann man die materiellen Ursachen für die heutige Schwäche von PiS und SLD und noch mehr die Schlappe der Samoobrona verstehen, wie auch die Tatsache, dass Radikale jeglicher Art, von Roman Giertych bis Jan Rokita und Zyta Gilowska, aus der Politik hinausgespült wurden. Zufriedene Menschen können keine Radikalen gebrauchen, weil sie in radikalen Ideen (gleich welcher Art) eher ein Risiko als eine Chance sehen. Die ewig Unzufriedenen haben also die Wahlen 2005 in letzter Minute gewonnen. Als Kazimierz Marcinkiewicz an die Spitze der Regierung trat, gerieten gerade die mit ihren Einkommen Unzufriedenen in Polen erstmals seit 1989 in die Minderheit (dabei stellten sie früher schon einmal 80 Prozent!).

Dieser Trend hält an und bewirkt, dass die sich steigernde Fiesta mehr ist als nur ein Ausdruck von Entspannung, die auf eine Phase quälender Anspannung folgt. Die Polen verdienen nicht nur immer mehr, sondern sie haben auch immer mehr frei verfügbares Geld in der Tasche. Während des mehrjährigen Aufschwungs haben sich die meisten nach und nach mit diversen technischen Geräten eingedeckt. In praktisch jeder erwerbstätigen Familie gibt es bereits ein Mobiltelefon, in der überwältigenden Mehrheit auch einen Computer und eine Mikrowelle. Das Tempo, in dem bei uns in den letzten Jahren manche Geräte hinzugekommen sind, ist ebenfalls revolutionär. Im letzten Jahr nahm die Zahl der Familien, die ein DVD-Gerät besitzen, um 30 Prozent zu (auf dem Land beinahe um 60 Prozent!), die Zahl der Besitzer von Geschirrspülern um 20 Prozent und die Zahl der Besitzer von Motorrollern und -rädern um 16 Prozent.

Selbstverständlich kann man immer noch etwas hinzukaufen, ein älteres Modell gegen ein neueres austauschen oder einen weiteren Flachbildschirm-Fernseher in der Küche oder im Bad installieren, aber zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg ist in Polen eine Gruppe von vielen Millionen Menschen auf der Bildfläche erschienen, die im Prinzip alles haben. Und das alles ist so neu, dass man schwer einen Vorwand findet, um etwas auszutauschen. Es bleiben natürlich unzählige Wünsche offen (ein HD- statt eines gewöhnlichen Farbplasma-Fernsehers oder ein neueres Telefonmodell), und die Produzenten werden sicher dafür sorgen, dass jeder immer von etwas träumen kann, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass die große Gruppe von Konsumenten, deren Bedürfnisse - prinzipiell - alle schon befriedigt wurden, ein neues soziales Phänomen ist.
Diese Gruppe - der Zufriedenen, Saturierten, die ihre Wunschanschaffungen bereits getätigt und noch Geld in der Tasche haben - wächst nicht nur quantitativ, sondern dehnt sich auch quer zu den bisherigen sozialen Unterteilungen aus. Der Durchschnittsbauarbeiter verdient heute fast 500 Złoty - also fast ein Fünftel - mehr als vor einem Jahr, der Durchschnittsbergmann über 700 Złoty (16 Prozent) mehr. Selbst wenn man die Inflation abzieht, bleiben ein paar hundert Złoty in der Tasche. In einer ähnlichen Lage befinden sich die Arbeitnehmer der Automobil-, Tabak-, Präzisions- und Möbelindustrie, ganz zu schweigen von den Landwirten. Endlich können also nicht nur die Eliten, sondern ein großer Teil der Normalbürger anfangen, den polnischen Wohlstand zu konsumieren. Es gibt soziale Gruppen - zum Beispiel die Landwirte -, in denen die Quote der sogenannten freien Mittel (also das Geld, das Familien zur Verfügung haben, wenn alle notwendigen Ausgaben bezahlt sind) sich während der letzten fünf Jahre fast verzehnfacht hat, aber schon die annähernde Verdoppelung im Landesdurchschnitt bedeutet einen kulturellen Umbruch, der eine Veränderung des Lebensstils nach sich zieht. Zumal in den letzten zwei Jahren der Zuwachs hauptsächlich in den ärmeren (wenngleich nicht den ärmsten) oder durchschnittlich verdienenden Milieus erfolgt ist.

Kein Wunder, dass eine Politik des Lächelns viel besser zum heutigen Polen und zur Stimmung der meisten Bürger passt als eine Politik des Schmollens. Denn nach zwanzig Jahren schwieriger Transformation entsteht endlich so etwa wie eine untere Mittelschicht, also eine sozial wichtige Gruppe von Menschen, deren ernsteste Sorge nicht mehr darin besteht, wie sie mit ihrem Geld auskommen sollen, sondern in der Qual der Wahl zwischen Annehmlichkeiten, die sie sich endlich erlauben können. Indem sich diese bereits mehrere Millionen zählende Gruppe den wenigen Prozent Unternehmern und Selbstständigen anschließt, bewirkt sie, dass in Polen von Jahr zu Jahr mehr eine Gesellschaft entsteht oder sogar schon entstanden ist, die sich dem materiellen und immateriellen Konsum zuwenden kann, um sich zu amüsieren, sich selbst zu verwirklichen, sich selbst auszudrücken und der eigenen Existenz, der Arbeit und dem Geldverdienen einen Sinn zu geben.

Der starke Złoty, der schwächer werdende Dollar und die niedrigen Zölle geben Millionen Polen endlich Konsumchancen, an welche sich keine lebende Generation erinnert. Doch wenn man unsere Verhaltensweisen etwas näher betrachtet, kann man bemerken, dass es hier nicht allein um den traditionellen Konsum geht, sondern um viel mehr - um Freude. Um die Befreiung von der Last der Unsicherheit, des Transformationsstresses, der Entsagungen und Ängste. Nach fast zwanzig schweren Jahren, nach dem düsteren Fünfjährigen Krieg und nach den spannungsgeladenen zwei Jahren der Vierten Republik müssen wir um beinahe jeden Preis den Stress abreagieren und das erleben, worauf wir früher verzichten mussten oder was uns unerreichbar schien. Jeder tut das auf seine Weise und je nach seinen Möglichkeiten, aber zum ersten Mal nimmt die Mehrheit der Gesellschaft daran teil.

Materiell äußert sich das so, dass die Oberschicht die Flugplätze mit Hunderten Leichtflugzeugen, die Häfen mit eleganten Jachten und die Parkplätze mit Limousinen verstopft, die obere Mittelschicht sich Geländefahrzeuge, diese Spielzeuge für hundert- oder zweihunderttausend das Stück zulegt, und die Mittelschicht dem Plasma-TV, Motorroller und neuen Kombi nicht mehr nur Urlaube in warmen Ländern, sondern auch exotische Ausflüge an Feiertagen oder langen Wochenenden hinzufügt. Neu ist, dass die neue untere Mittelschicht sich beinahe das gleiche, wenn auch etwas minderer Qualität, erlauben kann. Skifahren in den Alpen ist kein extravaganter Luxus der neureichen Elite mehr. Der Unterschied zwischen der Oberschicht und den mittleren Schichten drückt sich in der Zahl der Hotelsterne und den Gerätemodellen aus. Millionen - ganz normaler - Polen sind plötzlich in die Welt des freudigen Konsums von Eindrücken eingetreten. Jeder nach seinen Möglichkeiten. Im vergangenen Jahr stieg der Verkauf von Automobilen um über 20 Prozent, war aber auch - wie die Mehrheit der Gesellschaft und ein großer Teil des Konsums - eine Klasse höher einzustufen. Der Warschauer oder Dreistädter Stau sieht nicht mehr viel bescheidener aus als ein italienischer oder französischer. Und mit den Fahrrädern, die jeden Freitag auf Tausenden von Autodächern auftauchen, können wir in ganz Europa Eindruck schinden.

Den Unterschied sieht man nicht nur in den Autosalons, Reisebüros oder den aus allen Nähten platzenden Badeorten, die mit ihren Preisen mit der Weltspitze konkurrieren können. Man sieht ihn auch an der Einstellung der Polen zu den Staatsausgaben. Vor einigen Jahren wären Haushaltsausgaben in Milliardenhöhe für neue Stadien oder Sportanlagen auf allgemeine Kritik gestoßen, heute dagegen löst das eine wie das andere mehrheitlich Enthusiasmus aus. Die Regierung kann nicht mehr darauf zählen, dass die Gesellschaft sich auf ihre Seite stellt, wenn sie sich den Gehaltsforderungen der Ärzte oder Lehrer widersetzt. Von Komplexen befreite Menschen ziehen es vor, lächelnde Gesichter um sich zu sehen. Eine Gesellschaft, die das Gefühl eines verdienten Erfolges hat, teilt ihn gerne.

Am besten merkt man das an dem Mut, mit dem die kommunalen Selbstverwaltungen sich bei der Finanzierung weiterer kultureller Großvorhaben engagieren. Es sind keien Gegenstimmen mehr zu hören, wenn Städte eine Million für die Organisation gigantischer Veranstaltungen ausgeben. Breslau hat sie als erster zu seinem Markenzeichen gemacht, aber mittlerweile eifern ihm nicht nur Gdingen, Krakau und Danzig nach, sondern auch Dutzende viel kleinerer Städte. In diesem Sommer gibt es mehr solcher Events, als je zuvor, und sie sind weitaus imposanter. Und schon ziehen Zehntausende auf freudige Eindrücke erpichte Menschen von einem Veranstaltungsort in den nächsten um, obwohl die Saison noch gar nicht richtig begonnen hat.

Private Freude allein ist noch zu wenig. Nach mehreren Jahren, in denen die Polen einem auf nationalen Traumata gründenden, fast unablässigen Integrationsdruck ausgesetzt waren, brauchen wir kaum etwas mehr als das Erlebnis kollektiver Freude. Ein Vorbote für diesen Hunger war das Phänomen Małysz, aber den nationalen Hoffnungen, die durch die Qualifikation der Nationalmannschaft zur EURO geweckt wurden, kann Małysz nicht das Wasser reichen. Ma³ysz war ein Kreuzzug. Eine große Kampagne einer kleinen, drangsalierten und noch verängstigten Nation auf der Suche nach Anerkennung, nach Nahrung für das eigene Ego. Das Gold von Małysz war unser Goldenes Vlies. Die EURO war eine - leider unangenehm verkürzte - Kampagne mit dem Ziel kollektiver Freude. Das war kein nationaler Kreuzzug mehr, sondern ein nationaler Karneval. Ein Erfolg wäre natürlich wichtig gewesen, aber viel wichtiger war der gemeinsame Spass, das Vergnügen, das positive Erlebnis. („...weil nur Sport und echter Spass zählen!" - dieser von den Fans ausgewählte Slogan zierte den Bus der polnischen Nationalmannschaft).

Nur Politiker und einige wenige Brutalofans hatten noch diese alte Verbohrtheit in sich. Die Gesellschaft verhielt sich mehr oder weniger normal. Sie kaufte Tausende neuer Fernseher, Nationaltrikots und Mützen mit Hörnern, um etwas gemeinsam zu erleben. Auf die trostlosen Kämpfe der Fußballer sah sie mit Betrübnis, aber ohne Gejammer und Zorn. Und als die Spieler es nicht schafften, stürzte sich die Gesellschaft auf etwas anderes auf der Suche nach Eindrücken und Freude.

Kurz nach dem enttäuschenden Match ging ein Bekannter von mir auf den Breslauer Markt, wo er zu seiner Überraschung eine Menge feiernder Fans sah. Statt zu fluchen, jubelten sie fröhlich. Es waren weder Deutsche, Kroaten noch Österreicher. Schließlich trat er an jemanden heran, um sich zu erkundigen, was ihnen soviel Freude bereitete. „Kubica!", hörte er: „Kubica hat in Montreal gewonnen." Niemand weinte den Fußballern nach. Alle freuten sich mit Robert Kubica. Wozu sich auch ständig über vergeigte Spiele, verlorene Chancen und kollektive Traumata grämen, wenn man doch immer einen Grund zur Freude in sich finden, Trauerklöße und Trübsal dagegen ganz schnell vergessen kann?

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