Wir befragten die Polen zu Themen, die äußerst umstritten sind, weil sie den Bereich der Werte betreffen: von homosexuellen Ehen über die In-vitro-Methode und die Abtreibung bis hin zur Kostenerstattung für Verhütungsmittel und der Legalisierung von Marihuana. Es stellt sich heraus, dass sich nur bei zwei dieser Fragen eine dezidierte Mehrheit von Befürwortern einer der Meinungen abzeichnet (siehe Tabelle unten). Die Polen sind nämlich entschieden gegen eine Formalisierung von Partnerschaften Personen gleichen Geschlechts und gegen eine Legalisierung weicher Drogen. Bei einem weiteren Problem zeichnete sich eine ähnlich deutliche, wenn auch nicht mehr ganz so starke Dominanz ab, diesmal aber überwogen die Antworten mit „Ja": Die Mehrheit der Befragten ist für einen allgemeinen Zugang zur In-vitro-Methode, die vom Staat rückerstattetet werden soll. Ähnlich verhält es sich mit einer zumindest teilweisen Finanzierung von Verhütungsmitteln durch den Staat. Bei den brisanten Fragen einer Liberalisierung des Abtreibungsrechts sowie der Zulassung irgendeiner Form von Legalisierung der Euthanasie sehen wir ein labiles Gleichgewicht zwischen den Pro- und Contra-Meinungen.
Was sagen diese Ergebnisse aus über die polnische Seele, über das Wertesystem und die Einstellungen unserer Gesellschaft im zwanzigsten Jahr von Freiheit und Demokratie aus? Sind wir eine Ausnahme oder eine Bestätigung der Gesetzmäßigkeiten, die die Entwicklung von Gesellschaften westlichen Typs prägen?
Es herrscht bei uns kein Mangel an Meinungen über einen polnischen Sonderweg. Ein wichtiges Motiv in den Diskussionen zu diesem Schlüsselthema ist der Stellenwert der Religion als Stützpfeiler der polnischen Identität.